Akira Schmid macht einen seltenen Schritt

Akira Schmid macht einen seltenen Schritt
Akira Schmid liess auf dem Weg der Sioux City Musketeers ins Playoff nur ganz wenig zu. / Bild: zvg
Eishockey: Der bei den SCL Tigers ausgebildete Torhüter Akira Schmid wird den Wechsel vom Junior zum Profi in der NHL-Organisation der New Jersey Devils machen dürfen.

Akira Schmid fiel den Scouts diverser NHL-Klubs bei internationalen U16- und U17-Turnieren sowie bei den U18-Weltmeisterschaften 2017 in Poprad (Slowakei) und Metallurg (Russland) positiv auf. Die New Jersey Devils schliesslich waren es, die im Juni 2018 den Torhüter der SCL Young Tigers in der fünften Runde als Nummer 136 drafteten. Und sie hatten sich bei ihrer Einschätzung nicht getäuscht. Akira Schmid verdiente sich in drei Saisons als einer der besten Torhüter der höchsten Juniorenliga der USA, der United States Hockey League (USHL), den Respekt und das Vertrauen der New Jersey Devils in Form eines NHL-Entry-Level-Vertrages über drei Jahre bis 2024. «Davon habe ich bereits als kleiner Bub geträumt», sagt Akira Schmid. «Seit dem Vertragsabschluss sind jetzt etwas mehr als zwei Wochen vergangen. Und trotzdem bin ich immer noch dabei, mich allmählich daran zu gewöhnen, dass ich eine derart grosse Chance von einer Organisation der besten Eishockeyliga der Welt erhalten habe.»


Josi, Hischier, Niederreiter, Kuraschew

Akira Schmids Schritt vom Junior zum ersten Profivertrag ist grösser als man meint. Aber nicht nur, er ist auch ganz selten. Seit 1976, seit dem Davoser Jacques Soguel und den St. Louis Blues, sind 71 Schweizer Eishockeytalente in den NHL-Entry-Draft aufgenommen worden. So wie jetzt der 21-jährige Langnauer haben sich jedoch nur acht Schweizer Junioren über zwei oder sogar drei Saisons in ausländischen Nachwuchsligen bis zu einem NHL-Vertrag durchgebissen: Timo Meier (San José) spielte vor seinem Profidebüt drei Meisterschaften in der Quebec Major Junior Hockey League (QMJHL) für Halifax sowie Rouyn-Noranda und Philipp Kuraschew (Chicago) ebenfalls drei Saisons in der QMJHL für Quebec. Nur zwei Saisons bis zum Sprung in die NHL oder deren Farmteamliga (AHL) benötigten Carolinas Stürmer Nino Niederreiter (Portland/Western Hockey League; WHL), der zukünftige Lugano-Verteidiger Mirco Müller (Everett/WHL), Vancouvers Stürmer Sven Bärtschi (Portland/WHL), ZSC Lions-Stürmer Sven Andrighetto (Rouyn-Noranda/QMJHL), Verteidiger Yannick Weber (Kitchener/Ontario Hockey League; OHL) und Minnesotas Stürmer Kevin Fiala (in Schweden bei den Junioren von Malmö und HV71 Jönköping). Ausnahmekönner wie die beiden Schweizer NHL-Captains Roman Josi (Nashville) und Nico Hischier (New Jersey) erhielten bereits nach einem Jahr ihren ersten NHL-Vertrag. Der Langnauer Goalie Martin Gerber machte seinen Weg in die NHL über die höchste schwedische Liga als Meister mit Färjestad, David Aebischer, Jonas Hiller, Reto Berra und Mark Streit direkt von der National League A aus.


Eine Herausforderung nach der andern

Auf dem beschwerlichen Weg bis zur Unterzeichnung des Entry-Level-Vertrages mit den New Jersey Devils hatte Junior Akira Schmid eine Herausforderung nach der andern zu meistern. Im Alter von nur 18 Jahren verliess er Langnau, Familie und Freunde und seinen Ausbildungsklub, die SCL Young Tigers. Er tauschte seine beschauliche Heimat mit den USA und ihren immensen Dimensionen, musste mit einem neuen Land und dessen Kultur, einer neuen Sprache, Gastfamilien, neuen Trainern und Kollegen zurechtkommen. Zudem musste er sich in sportlicher Hinsicht vom europäischen auf das nordamerikanische Eishockey auf den kleineren Spielfeldern umstellen. Abgesehen von der dritten Saison bei Sioux City kamen auch noch mehrere Mannschafts- und Ligenwechsel hinzu. 2018/19 und 2019/20 wurde Akira Schmid bei sechs verschiedenen Teams auf fünf unterschiedlichen Stufen eingesetzt: Lethbridge (WHL), Corpus Christi (NAHL), Omaha (USHL), Sioux City (USHL), Schweizer U20-Nationalmannschaft an der WM und in einer Auswahl mit den besten New-Jersey-Talenten beim Prospect-Turnier, der bedeutendsten Talentschau der NHL. Dabei darf etwas nicht unterschätzt werden – er war Ausländer und machte seinen nordamerikanischen Konkurrenten auf der Torhüterposition den Platz im Team streitig. 


Belohnter Durchhaltewillen

Die positive Leistungsentwicklung allein war es nicht, welche die Verantwortlichen der New Jersey Devils bewog, Akira Schmid eine Einstiegschance in die NHL zu geben. Der Langnauer zeigte ihnen, was alle NHL-Organisatoren sehen wollen – der Wille, um jeden Preis durchzuhalten, sich auch durch Rückschläge nicht vom eingeschlagenen Weg abbringen zu lassen. «Die New Jersey Devils», blickt Akira Schmid zurück, «haben mich nach dem Draft nie allein gelassen, sondern mich immer so gut wie nur möglich unterstützt. Während den drei Saisons in den Juniorenligen nahmen sie praktisch jede Woche telefonisch oder per Video Kontakt mit mir auf, erkundigten sich über mich bei den Klubs, Coaches und den Gastfamilien». Dass sie mit ihm wirklich etwas vorhatten, zeigten die New Jersey Devils auch bei der schweren Hüftverletzung, die Akira Schmid mit nur 13 Spielen praktisch die ganze Saison 2019/20 kostete. «Die Organisation bat mich, nach New Jersey zu kommen und ich wurde während rund zwei Monaten von der medizinischen Abteilung der NHL-Mannschaft bestens betreut und erhielt erst noch eine Tagespauschale von 80 Dollar. Trotz allen Bemühungen musste ich mich im April letzten Jahres in Bern dennoch an beiden Hüften operieren lassen.» Ohne den darauffolgenden Support durch die SCL Tigers wäre Akira Schmids Comeback und Aufstieg zur Nummer 1 der USHL aber nicht möglich gewesen. «Ich durfte während des Sommers 2020 Teile meines Aufbautrainings bei ihnen absolvieren, dazu kamen die Vorgaben der New Jersey Devils. Langnaus Athletiktrainer Nik Hess und Physiotherapeut Roger Geering haben alles koordiniert und umgesetzt. Dass die dritte und letzte Juniorensaison bei Sioux City zur bisher besten meiner Karriere wurde, ist auch ihr Verdienst.» Nik Hess meint seinerseits, dass sich Akira Schmid ganz toll mitgemacht hat und dafür mit einem erfolgreichen Comeback verdientermassen belohnt worden sei.


Es beginnt alles wieder von vorne

Die erste Station von Akira Schmid als Profi wird das für Mitte September geplante NHL-Trainingscamp der New Jersey Devils sein. Ob zu einem früheren Zeitpunkt beispielsweise auch noch das Prospectcamp hinzukommt, hängt von der Corona-Entwicklung in den USA ab. Der Einsteigervertrag über drei Jahre garantiert rein gar nichts. Die Konkurrenz im Kampf um einen Platz auf der wichtigen Torhüterposition ist überdurchschnittlich gross. Dorthin, wo Akira Schmid hin will, wollen auch noch sieben oder acht andere Goalies. Darunter der vor einem Monat verpflichtete 20-jährige Nico Daws, der 2020 mit Kanada U20-Weltmeister wurde. Realistisch betrachtet wird der Langnauer seine Profikarriere im neuen Farmteam der New Jersey Devils, den Utica Comets, beginnen. Und dabei dürfte es ihm wohl etwas «heimele». Präsident des AHL-Klubs ist Robert Esche, der im Frühling 2012 seine langjährige Karriere als NHL- und KHL-Torhüter in Langnau beendete. Erfolgreich, mit einer gewonnenen Playoutserie gegen Ambri und dem Ligaerhalt.

Die Karriere-Stationen von Akira Schmid

Von 2013 bis 2018 ausgebildet bei den SCL Young Tigers von Top Mini bis Elitejunioren. Am Ende der Saison 2017/18 ein einziges NLA-Spiel für die SCL Tigers in der Platzierungsrunde gegen Kloten (4:3) sowie vier Einsätze in der 1. Liga für Thun (drei Siege, eine Niederlage nach Verlängerung). Von 2015/16 bis 2019/20 Aufgebote für alle Schweizer Junioren-Nationalmannschaften von U16 bis U20. Teilnehmer an drei U18- und zwei U20-WM-Turnieren. Ab 2018/19 in Nordamerika, vorwiegend in der USHL, der höchsten Juniorenliga der USA. Bilanz: 90 Qualifikations- und Playoffspiele für Omaha und Sioux City mit einer Abwehrquote von 91,8 Prozent und einem Gegentordurchschnitt von 2,27.

03.06.2021 :: Werner Haller (whz)