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Wo der Hund begraben liegt

Bereits als der Februar ein paar Tage lang nach Frühling roch, hatte ich das Reissen. Dann bremste der neuerliche Wintereinbruch meinen Tatendrang nachhaltig aus. Aber jetzt ist Mai. Jetzt habe ich lange genug gewartet. Jetzt zieht es mich in den Garten. Eisheilige hin oder her. Ich kann nicht auf alles und jeden Rücksicht nehmen. Die Natur wartet ja auch nicht. Wüchse bei uns daheim ohne Zutun alles so zuverlässig wie Brennnesseln und Schachtelhalm, wir wären längstens Selbstversorger. Neulich im Baumarkt fiel mir in der Deko-Ecke beim Vintage-Kitsch eines dieser künstlich verwitterten Sprücheschildchen auf: «Traue keinem Garten ohne Unkraut», stand in schwungvollen Lettern draufgepinselt. Hat was, dachte ich. Diesbezüglich erwecken wir einen sehr vertrauenswürdigen Eindruck. In unserem Garten könnte man glatt ein Notariat eröffnen. Aber alles hat seine Grenzen. Die Frage, mit welcher Arbeit ich anfange, erübrigt sich. Der Mondkalender behauptet zwar, es sei ein Pflanztag. Aber bevor ich pflanzen kann, muss ich Platz schaffen. Ich beginne also mit Jäten. Später bin ich vom Jäten so erschöpft, dass ich gar nichts mehr anpflanzen mag. Morgen ist ja auch noch ein Tag. Wobei, morgen soll es Regen geben. Na, meinetwegen. Wie jedes Jahr wird auch heuer der Überschwang früher oder später ermatten und das Unkraut behält die Oberhand. Das hat vielleicht auch sein Gutes. Ich weiss es nicht. Dafür weiss ich jetzt, wo der Hund begraben liegt. Jemand hat ihn hinten bei den Himbeeren beerdigt. Zwei Spatenstiche tief. Wir haben ihn beim Umgraben gefunden. Wie lange er da schon liegt, ist schwer zu sagen. Ausser seinen Knochen ist nichts mehr von ihm übrig. Das ist der Lauf der Dinge. In ureigener Selbstverständlichkeit breitet der Rhabarber seine Blätter aus, und von dem ganzen Zeug, das wir in schierer Selbstüberschätzung anpflanzen, wird ein kleiner Teil überleben. Das eine oder andere Pflänzchen wird von den Schnecken übersehen werden, trotz zwischenzeitlicher Vernachlässigung erstarken und schliesslich Früchte tragen. Darauf freue ich mich jetzt schon. Nie schmecken Zucchetti, Tomaten und Gurken frischer und saftiger, als wenn man sie im eigenen Garten gezogen hat. Und die besten Bratkartoffeln hat man unmittelbar vor dem Zubereiten aus der Erde geklaubt, sie dann gewaschen und noch in der Schale gebraten, gewürzt nur mit etwas grobem Meersalz und mit Rosmarin, der drüben beim Trockensteinmäuerchen wuchert. Dazu Hüttenkäse mit Schnittlauch... 

Traumhaft.

12.05.2021 :: Peter Heiniger