«Dass der Baumstamm so alt ist, hätte ich nie gedacht»

«Dass der Baumstamm so alt ist, hätte ich nie gedacht»
Man sieht ihm das Alter nicht an: Das Holz der rund 4200 Jahre alten Weisstanne ist nach wie vor zäh. / Bild: zvg
Heimisbach: Bei Bauarbeiten für eine neue Leitung kam letzten Herbst ein Baumstamm zum Vorschein. Im zweiten Anlauf konnte nun das Rätsel seines Alters gelöst werden.

«Als mich der Herr vom Archäologischen Dienst anrief, sagte er als Erstes, ich solle mich hinsetzen. Dann erklärte er mir, wie alt der Stamm ist», berichtet Alfred Lüthi, der auf den Baumstamm aufmerksam wurde.

Die Weisstanne stammt aus der Zeit zwischen 2338 und 2137 vor Christus. Sie ist demnach mehr als 4200 Jahre alt! «Ich vermutete, dass der Stamm alt sein muss», erklärt Lüthi. Der Baum, welcher im Untergrund des Weges zum Vorschein kam, habe keine Spuren menschlicher Bearbeitung aufgewiesen. Die Lage des Baums deutete darauf hin, dass dieser nicht für den Wegbau gebraucht wurde – «der lag schon vorher dort».

«Ich hatte geschätzt, dass der Baum vielleicht 400 oder 500 Jahre alt ist», berichtet Alfred Lüthi. «Dass er aber so alt ist, hätte ich nie gedacht.»


Stamm war zu stark für den Pflug

Ohne den Landwirten, welcher einige hundert Meter entfernt lebt, wäre dieser Fund wohl gar nie gemacht worden. Er wurde stutzig, als er den Baumstamm entdeckte, den die Bauarbeiter neben dem Weg deponiert hatten. Zum Vorschein gekommen war er letzten Herbst, als in dem Grienweg eine ARA-Leitung eingepflügt werden sollte. Plötzlich blieb der Pflug hängen. Die Ursache war aber nicht – wie dies meist der Fall ist – ein grosser Stein, sondern eben dieser Stamm, welcher dann mit einem Bagger gehoben wurde. 

«Ich hatte in der ‹Wochen-Zeitung› von der Wanderausstellung des Archäologischen Dienstes gelesen, habe diese dann besucht und dort das Bild des Stamms gezeigt», berichtet Alfred Lüthi. Die Fachleute vor Ort hätten sich sehr interessiert gezeigt. 

Der erste Versuch, das Alter des Holzes zu bestimmen, klappte allerdings nicht. Bei der dendrochronologischen Untersuchung (siehe Kasten) wird die Jahrringabfolge des Stamms mit anderen Hölzern verglichen. Obwohl der Stamm ganze 372 Jahrringe aufwies, habe sich keine signifikante Übereinstimmung mit Referenzchronologien ergeben, steht im Untersuchungsbericht. «Deshalb wurde beschlossen, eine Altersbestimmung mittels Radiokarbon-Methode zu veranlassen.» Mitte April hat nun das AMS-Labor der Universität Bern das Resultat geliefert: «Die Datierung der letzten Jahrringe liegt mit 95,4 Prozent Wahrscheinlichkeit zwischen 2338 und 2137 vor Christus.» Der Baum stammt demnach aus der Frühbronzezeit. Beim Archäologischen Dienst des Kantons Bern ist kein älterer Holzfund aus dem Emmental bekannt, erklärt Markus Leibundgut vom Archäologischen Dienst. Die Weisstanne leiste einen wichtigen Beitrag zur Ergänzung der Referenzhölzer des Kantons Bern.


Wie geht es nun weiter? 

Mit der Nachricht, dass es sich um einen rund 4200 Jahre alten Stamm handelt, habe sich auch der Fokus für die Gemeinde etwas verändert, schreibt Gemeindeschreiber Niklaus Meister. «Es wird nach einer Bleibe für diesen Stamm oder einen Teil davon gesucht.» 

Eine Scheibe lagert bei Alfred
Lüthi, ohne den dieser Baumstamm gar nie sein Alter preisgegeben hätte. Es sei erstaunlich, wie gut «zwäg» das Holz sei, meint der 75-jährige Landwirt. «Der Baum ist ganz langsam gewachsen, was die über 300 eng beieinanderliegenden Jahrringe beweisen, und dann wurde er so verschüttet, dass er sehr gut konserviert wurde – sonst hätte er nie dem Pflug standgehalten.»

Zwei Methoden, um das Alter von Holz zu bestimmen

Bei der Dendrochronologie stehen die Jahrringe im Zentrum: Jeder Baum bildet pro Jahr einen Jahrring. Der Zuwachs hängt primär vom Wetter und vom Standort ab. Bei guten Bedingungen wird ein breiter Ring gebildet, in ungünstigen Jahren ein schmaler. Das Wetter beeinflusst alle Bäume einer Region in ähnlichem Masse, sodass sich deren Jahrringabfolgen gleichen. Dank dieser Wachstumsmuster lassen sich Referenzchronologien bis weit zurück in die Vergangenheit erstellen.

Im Labor werden die Jahrringbreiten unter dem Mikroskop gemessen und statistisch sowie visuell mit bestehenden Referenzreihen verglichen. Bei einem deckungsgleichen Muster ist das Holz datiert. Wenn der letzte vom Baum gebildete Ring, die sogenannte Waldkante, erhalten ist, lässt sich sogar das genaue Fälljahr des Baumes bestimmen.

Mit der Dendrochronologie können Hölzer aus allen Epochen datiert werden, von prähistorischen Pfahlbauten bis zu neuzeitlichen Wohnhäusern.

Quelle: Informationsflyer «Dendrochronologie»,
Archäologischer Dienst des Kantons Bern. Autoren:
Matthias Bolliger, Andrea Francesco Lanzicher.


Der Zerfall von 14C

Die Radiokarbonmethode 14C ist ein Verfahren zur Datierung kohlenstoffhaltiger, insbesondere organischer Materialien. Der zeitliche Anwendungsbereich liegt zwischen 300 und etwa 60´000 Jahren.

Das Verfahren beruht darauf, dass in abgestorbenen Organismen die Menge an 14C-Atomen gemäss dem Zerfallsgesetz abnimmt. Das Kohlenstoffisotop 14C zerfällt mit einer Halbwertszeit von 5730 Jahren (Messgenauigkeit ± 40 Jahre). Demnach kann anhand des Gehalts dieses Kohlenstoffs im Vergleich mit dem nicht zerfallenden 13C das Alter des Materials bestimmt werden.


Quelle: Wikipedia «Radiokarbonmethode»

Ein tausendjähriger Wurzelstock

Vor einem Jahr sorgte bereits ein alter Holzstamm für Furore. Bei Aushubarbeiten in Lützelflüh im Herbst 2019 kam in einer Tiefe von 2,70 Metern ein Wurzelstock zum Vorschein. Der Untergrund wies zudem viel Grien auf, was darauf schliessen liess, dass dort einst die Emme floss. Heute ist der Fluss freilich gut 150 Meter entfernt.

Bei dem Wurzelstock mit Stammansatz handelte es sich um eine Fichte, welche insgesamt 73 Jahrringe aufwies. Die breiten Jahrringe deuteten daraufhin, dass der Baum gute Lebensbedingungen hatte – bis er entwurzelt, weggeschwemmt und schliesslich von Grien und Erdreich luftdicht vergraben wurde. 

Die Untersuchung mittels 14C-Radiokarbonmethode ergab, dass das Holz aus der Zeit zwischen 771 und 951 nach Christus stammt, wie der Archäologische Dienst mitteilte.

29.04.2021 :: Bruno Zürcher (zue)