Neue Treffpunkte für den Notfall

Neue Treffpunkte für den Notfall
Vier Kantone kennen bereits Notfalltreffpunkte. Der Kanton Bern wird eine «mobile» Beschriftung einsetzen. / Bild: zvg
Kanton Bern: Bei Katastrophen und in Notlagen ist die Information der Bevölkerung und die Alarmierung von Rettungskräften zentral. Neu sollen 236 Notfalltreffpunkte errichtet werden.

In einer Krisensituation, etwa bei flächendeckenden Stromausfällen, könne bereits nach kurzer Zeit die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft stark beeinträchtigt sein, steht im Konzept «Notfalltreffpunkte Kanton Bern» des Amts für Bevölkerungsschutz, Sport und Militär (BSM). Transparente Informationen über Lage und Lageentwicklung seien deshalb von zentraler Bedeutung. Der Bevölkerungsschutz müsse für solche Fälle alternative und ausfallsichere Informationsmöglichkeiten schaffen. Aus diesem Grund sollen nun, verteilt über das ganze Kantonsgebiet, 236 Notfalltreffpunkte errichtet werden. Einige sind bereits bestimmt. In Röthenbach etwa wird dieser im Krisenfall in der Gemeindeverwaltung installiert, wie der Gemeinderat kürzlich mitgeteilt hat.  

Information und Kommunikation

«Wir haben in letzter Zeit mehrmals erlebt, dass wegen Störungen im Telekommunikationsnetz die Blaulichtorganisationen nicht mehr erreichbar waren», sagt Stephan Zellmeyer, Abteilungsleiter Bevölkerungsschutz im BSM. Ein solcher Ausfall könne auch mal länger dauern, da mache es Sinn, für die Bevölkerung auf lokaler Ebene eine Anlaufstelle zu definieren. Jeder Notfalltreffpunkt ist mit zwei Polycom-Funkgeräten ausgerüstet. Auf diese Weise bleiben Notrufe an die Rettungskräfte bei einem kompletten Ausfall der normalen Kommunikationsmittel (Blackout) möglich. Mit dem autarken Funksystem Polycom kann auch die Verbindung zum Regionalen oder Kantonalen Führungsorgan aufrechterhalten werden. Weiter erhalte die Bevölkerung im Notfalltreffpunkt zum Beispiel Angaben über noch vorhandene Versorgungsmöglichkeiten oder offene Verkehrswege, nennt Zellmeyer Beispiele. «Die allgemeinen Informationen der Behörden über das Radio oder die App Alertswiss werden, auf die Region abgestimmt, ergänzt.» Ausserdem könne die Bevölkerung auch ihrerseits Informationen zur Lage deponieren. 

Jeder Notfalltreffpunkt verfügt zudem über ein Notstromaggregat. Dies würde es ermöglichen, Handys und weitere Geräte aufzuladen oder in einer Kältewelle könnte der Bevölkerung ein Raum zum Aufwärmen zur Verfügung gestellt werden, führt Stephan Zellmeyer aus. Er betont aber, dass die Notfalltreffpunkte keineswegs die Selbst- und Nachbarschaftshilfe ersetzen würden. «Es ist ein zusätzliches Netz. Das Wichtigste bleibt, dass sich die Bevölkerung auf eine Krise vorbereitet und entsprechend vorsorgt.» (Siehe Kasten.)   

Innert zweier Stunden bereit

Die Notfalltreffpunkte sind nicht dauernd in Betrieb, sondern nur bei Katastrophen und in Notlagen. Sie würden in einem öffentlichen und gut zugänglichen Gebäude wie einer Gemeindeverwaltung, einem Schulhaus oder einer Mehrzweckhalle errichtet und entsprechend signalisiert, erklärt der Abteilungsleiter Bevölkerungsschutz. Gemäss Vorgaben des Kantons sollen sie innert zweier Stunden einsatzfähig sein. Betrieben werden sie von Verwaltungsangestellten und vom Zivilschutz. Es sei für die Gemeinden eine Herausforderung, genügend Personal abstellen zu können, zumal die Leute im Katastrophenfall noch viele andere Aufgaben zu bewältigen hätten, gibt Stephan Zellmeyer zu bedenken. «Einen 24-Stunden-Betrieb über eine längere Zeit aufrechtzuerhalten, ist personalintensiv. Manche Gemeinden verfügen zudem über mehrere Notfalltreffpunkte.» Wann diese in Betrieb gehen, entscheide die Gemeinde. Betreffe ein Ereignis mehrere Gemeinden oder eine Region, koordiniere der Regierungsstatthalter, die Regierungsstatthalterin oder das Regionale Führungsorgan den Betrieb.

Für die Gemeinden freiwillig

Das Amt für Bevölkerungsschutz möchte über den ganzen Kanton verteilt 236 Notfalltreffpunkte errichten. Diese Zahl hänge mit den Polycom-Funkgeräten zusammen, die dazu zur Verfügung stünden, aber auch mit dem bereits erwähnten Personalbedarf für den Betrieb der Notfalltreffpunkte, erklärt der Abteilungsleiter. Der Kanton ist bei der Umsetzung auf die Kooperation der Gemeinden angewiesen, es gibt keine gesetzlichen Grundlagen, um sie dazu zu verpflichten. «Das Errichten dieser Treffpunkte ist freiwillig», bestätigt Zellmeyer. «Die Gemeinden haben aber positiv reagiert und wir gehen davon aus, dass die allermeisten mitmachen werden.» Bislang seien rund 30 Standorte definiert, die meisten in grösseren Städten. Die Standardausrüstung stellt der Kanton zur Verfügung. Möchte eine Gemeinde über die Mindestleistungen – Information und Kommunikation – hinausgehen, muss sie dies selber finanzieren. Denkbar sind etwa eine Abgabestelle für Trinkwasser und Lebensmittel oder ein Stützpunkt für Erste Hilfe.

Notvorrat – immer noch ein kluger Rat

«Der Slogan ‹Kluger Rat – Notvorrat› ist bereits über 50 Jahre alt – und immer noch aktuell», schreibt das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) in seiner Broschüre «Notvorrat». Heute gehe es meist um die Überbrückung eines vorübergehenden Versorgungsengpasses. 

Zum Notvorrat gehören:
* 9 Liter Wasser (ein Sixpack) pro Person, weitere Getränke. * Lebensmittel für rund eine Woche, zum Beispiel Reis, Teigwaren, Öl, Fertiggerichte (auch kalt geniessbare), Salz, Zucker, Kaffee, Tee, Dörrfrüchte, Müesli, Zwieback, Schokolade, UHT-Milch, Hartkäse, Trockenfleisch, Konserven. * Verbrauchsgüter wie batteriebetriebenes Radio, Taschenlampe, Ersatzbatterien, Kerzen, Streichhölzer/Feuerzeug, Gaskocher. * Regelmässig benötigte Hygiene-artikel wie Toilettenpapier, Seife, weiter Desinfektionsmittel, Hygienemasken, Arzneimittel, etwas Bargeld, Futter für Haustiere.

Der Notvorrat sollte den persönlichen Bedürfnissen und Gewohnheiten entsprechen und in den Alltag integriert werden. Das BWL rät, die Lebensmittel regelmässig zu konsumieren und wieder zu ersetzen. 

Notfallplan auf Alertswiss

Eine weitere Möglichkeit der Vorsorge besteht auf Alertswiss. Auf dieser Plattform fliessen die relevanten Informationen rund um die Vorsorge und das Verhalten bei Katastrophen und Notlagen in der Schweiz zusammen (Internet: alert.swiss). App-Nutzerinnen und -Nutzer erhalten Alarme, Warnungen und Informationen zum aktuellen Standort direkt und laufend via Smartphone. Weiter kann ein persönlicher Notfallplan erstellt werden, der helfen soll, schnell und richtig zu reagieren. Grundlegende Fragen werden thematisiert: Wie kontaktiere ich meine Angehörigen? Wo gehe ich hin? Was nehme ich mit? 

Alertswiss ist ein Gemeinschaftsprojekt von Bund und Kantonen.

01.04.2021 :: Silvia Wullschläger (sws)