Ist Corona eine Strafe Gottes? Diese Frage wird beim Gumi-Findling aufgeworfen. / Bild: Benjamin Stocker-Zaugg (sbr)
Oberdiessbach: Auf dem Oberdiessbacher Stationenweg wird aufgezeigt, wie die Bibel auf die Corona-Pandemie Antworten geben kann. Etwa 1,5 Stunden dauert der Rundgang.
Wer am Waldrand über dem Dorf beim Haslifeld angelangt ist, hat bereits vier Stationen kennengelernt. Nun weitet sich der Blick über Oberdiessbach hinaus nach Norden und über die Ebene in Richtung Kiesen. Ganz passend ist hier bei der fünften Station die Schöpfung das Thema; auf einer Tafel kann der Besucher einen Bibelvers lesen, der die Natur mit dem unsichtbaren Wesen Gottes verbindet. Gerade in einer Zeit, wo vieles nicht möglich ist, könne die Begegnung mit der Schöpfung Trost und Zuversicht schenken. Die Tafel stellt dem Leser, der Leserin aber auch Fragen, die zum Weiterdenken anregen; hier zum Beispiel, wie die Begegnung mit dem Schöpfer in der Natur den Corona Alltag verändern kann. Oder: «Wo erkennen und erspüren Sie Spuren Gottes in der Natur, im Wald?»
Zu jeder Station gehören zudem Impulse für Kinder; am Waldrand werden sie angeregt, einen Tannenzapfen zu suchen und als Erinnerung mit nach Hause zu nehmen. Schliesslich findet sich jeweils eine passende Kunstinstallation von Ursula und Jürg Zurbrügg; bei der fünften Station erfreut eine golden schimmernde Metallplatte mit Wiesenblumen den Betrachter.
Theologische Reflexion der Pandemie
Der Oberdiessbacher Stationenweg wurde am 17. Februar eröffnet und dauert noch bis zum 23. Mai. «Unsere Idee des Projektes ist angelehnt an die meist katholischen Kreuzwege, die betend oder meditierend abgeschritten werden», sagt Pfarrer Daniel Meister. Bereits 2015 habe es einen Stationenweg im Dorf gegeben, dieser wies inhaltlich über Karfreitag hinaus bis zum Pfingstsonntag. Für den diesjährigen Weg seien alle Stationen neu entworfen worden, fährt Daniel Meister fort. «Die Stationen orientieren sich an wichtigen Glaubensthemen und schlagen immer wieder die Brücke zur Corona-Situation. Es ist auch eine theologische Reflexion der Pandemie.» Viele Menschen seien dankbar für diese Form der theologischen Auseinandersetzung, erläutert Daniel Meister weiter und erwähnt dabei auch eine erfreuliche Erkenntnis: «Manche Besucherinnen und Besucher reisen von weit her an, um den Weg zu erwandern.»
Die Strafe ist gesühnt
Der Stationenweg beginnt mitten im Dorf beim Brunnen neben der Verkehrsampel, er führt zum Soldatendenkmal und dann am Schulhaus vorbei zum Friedhof. Natürlich wird hier auf die Vergänglichkeit des Lebens hingewiesen. «Was erwarten Sie nach dem Tod?», wird auf der Tafel gefragt; die Kunstinstallation zeigt einen zerbrochenen Krug. Über eine Anhöhe führt der Weg weiter dem Wald entlang zum Gumi Findling; über dem Felsen leuchtet eine vom Künstlerpaar gestaltete weisse Feder. Hier, bei der sechsten Station, wird der Besucher mit einer ernsten Frage konfrontiert: «Ist Corona eine Strafe Gottes»? Wahrscheinlich gäbe es genügend Gründe dafür, ist da zu lesen, denn vieles laufe auf dieser Welt schief! Das klingt zunächst pessimistisch, doch dann kommt es zu einer entscheidenden Wende, denn Jesus habe am Kreuz die Strafe auf sich genommen. Liebe und Gnade entsprechen dem Willen Gottes, nicht Strafe.
Beim Ölbergli im Dorf wird auf das Thema Nähe und Distanz eingegangen. «Social Distancing» vermeidet Ansteckungen, kann aber auch entfremden. Auch Jesus habe am Auffahrtstag am Jerusalemer Ölberg die Jünger verlassen. Damit taucht einmal mehr die Frage nach der Distanz auf. Jesus habe seinen Anhängern und allen Menschen den heiligen Geist versprochen, der die Distanz zwischen Gott und Mensch für immer aufhebt.
Zuletzt führt der Stationenweg zurück zur Kirche in den Raum der Stille; der letzte Posten sei wichtig als Ziel, sagt Daniel Meister, «dort haben Besucher die Gelegenheit, vor dem Kreuz und vor Gott still zu werden und zu beten».