Pädagogische Berufe sind besonders in Krisenzeiten gefragt

Pädagogische Berufe sind besonders in Krisenzeiten gefragt
Die Seminarräume an der PH Bern sind derzeit leer, das Studium läuft im Fernunterricht. / Bild: zvg
Kanton Bern: Das Interesse an pädagogischen Berufen ist gross. Die Anmeldezahlen an der PH Bern sind hoch wie nie – trotz Fernstudium. Die Corona-Pandemie spielt dabei eine Rolle.

Am 22. Februar wird an der Pädagogischen Hochschule (PH) Bern das Frühlingssemester beginnen – mit fast 50 Prozent mehr Studierenden als vor einem Jahr (siehe Kasten). Einer von ihnen ist Joaquin Brand aus Hindelbank. Bereits in der Oberstufe habe er sich für den Lehrerberuf interessiert. Gegen Ende des Gymnasiums sei sein Entscheid, an der PH Bern zu studieren, festgestanden. Eigentlich hätte der 19-Jährige sein Studium erst im Herbst beginnen wollen. «Ich hatte einen Sprachaufenthalt in Australien geplant und wollte noch etwas reisen. Wegen der Corona-Pandemie war dies nicht möglich», erklärt Joaquin Brand. Er habe Alternativen geprüft, jedoch wieder verworfen. Zu unsicher war die Lage. «So habe ich mich entschieden, das Studium ein halbes Jahr früher als geplant zu beginnen. Ein paar Tage vor Anmeldeschluss habe ich mich eingeschrieben, und es hat geklappt. Die PH Bern ist da zum Glück sehr flexibel.» Im letzten halben Jahr habe er in einem Tankstellenshop gearbeitet und Nachhilfe erteilt.

Sicherheit ist gefragt

So wie Joaquin Brand sei es zahlreichen Studierenden gegangen, sagt Michael Gerber, Fachspezialist Unternehmenskommunikation an der PH Bern. «Viele setzen nach der Matura ein Jahr aus – sei es, um Geld zu verdienen, für einen Sprachaufenthalt oder fürs Reisen. Als sich abzeichnete, dass sich die Corona-Krise auf den Frühling hin nicht entspannen würde, entschieden sie sich, mit dem Studium zu beginnen.» Michael Gerber macht noch einen weiteren Grund aus, weshalb pädagogische Berufe gerade jetzt, in der Pandemie, beliebt sind: Die Leute achteten mehr auf Sicherheit, und der Lehrberuf sei krisenresistent. Das habe sich schon früher während Wirtschaftskrisen gezeigt. «Die Corona-Pandemie hat zudem deutlich gezeigt, dass dieser Beruf systemrelevant ist.» Die PH Bern freue sich über das grosse Interesse, so könne mittelfristig dem Lehrpersonenmangel an den Volksschulen entgegengewirkt werden, so Gerber.

Offenbar lassen sich die künftigen Lehrerinnen und Lehrer auch nicht vom Fernstudium abschrecken. «Es funktioniert gut, ist aber für die Studierenden anspruchsvoll», betont der Mediensprecher. Manche Lehrveranstaltungen fänden per Livestream statt, und es sei möglich, direkt Fragen zu stellen und sich auszutauschen. Andere würden als Video aufgeschaltet und Fragen müssten etwa per E-Mail gestellt werden. Weiter verzichte man teilweise auf Praktikumsbesuche an den Schulen, eine direkte Rückmeldung der Dozentinnen und Dozenten sei so erschwert. Und natürlich fehlten die sozialen Kontakte. «Eine Umfrage hat gezeigt, dass die Mehrheit der Studierenden den Unterricht vor Ort vorziehen würde», so Gerber.

Fernstudium bietet auch Vorteile

Bereits Erfahrung mit dem Lernen auf Distanz hat Michelle Wüthrich aus Rüegsauschachen. Sie hat den Studiengang Vorschulstufe und Primarstufe im letzten Herbst begonnen. Nur in den ersten drei Wochen konnte sie vom Präsenzunterricht profitieren. Seitdem finden die Vorlesungen online statt. «Abgesehen von den fehlenden Kontakten finde ich es nicht so schlimm. Das Fernstudium bietet sogar Vorteile.» So spare sie pro Tag zwei Stunden für den Weg. Ausserdem sei sie frei in der Zeiteinteilung. «Ich kann eine Vorlesung hören und Arbeitsaufträge erledigen, wenn es mir zeitlich passt», führt die 20-Jährige aus. Auch sei es möglich, eine Vorlesung mehrmals zu hören. Fernunterricht sei gut machbar, allerdings müsse man Selbstdisziplin aufbringen, immer dranbleiben und sich gut organisieren können, bilanziert sie. 

Ein Highlight für Michelle Wüthrich waren die Praktikumseinsätze an der Schule Oberfrittenbach. «Es war schön, mit Kindern zu arbeiten und entschädigte etwas für den fehlenden Kontakt zu den Mitstudierenden.»

Vorschulstufe und Primarstufe am beliebtesten

231 Personen beginnen kommenden Montag ihr Studium an der Pädagogischen  Hochschule PH Bern. Vor einem Jahr waren es 158.

Am beliebtesten ist die Vorschulstufe und Primarstufe mit 60 Anmeldungen (2020: 31). Eine Ausbildung zur Lehrerin oder zum Lehrer an der Sekundarstufe I (7. bis 9. Klasse) wollen 56 Studierende beginnen, im Vergleich zu 32 vor einem Jahr. Das Institut Sekundarstufe II verzeichnet nach einem Rückgang im vergangenen Herbstsemester wieder einen Anstieg: Die Zahl der angemeldeten Studierenden, die an Maturitätsschulen unterrichten wollen, nahm von 87 auf 98 zu. Für den Masterstudiengang Heilpädagogik schliesslich haben sich gut doppelt so viele Studierende eingeschrieben: Es sind 17, 2020 waren es acht.

Bereits letzten Herbst hatte die PH Bern deutlich steigende Neuanmeldungen für ihre Studiengänge verzeichnet und erstmals die Marke von 3000 immatrikulierten Studierenden überschritten.

18.02.2021 :: Silvia Wullschläger (sws)