«Heute wird viel schneller betrieben als früher»

«Heute wird viel schneller betrieben als früher»
Margrit Kaufmann lernte in ihrer langjährigen Tätigkeit als Betreibungsbeamtin manches menschliche Schicksal kennen. / Bild: zvg
Escholzmatt-Marbach: Mit der Schliessung des Betreibungsamts wurde auch die langjährige Betreibungsbeamtin verabschiedet. Für ihre Arbeit brauchte sie psychologisches Geschick.

Zwanzig Jahre lang war Margrit Kaufmann-Baumeler Betreibungsbeamtin der Gemeinde Escholzmatt-Marbach. Seit dem 1. Januar 2021 führt nun das Regionale Betreibungsamt Entlebuch in Schüpfheim die Geschäfte weiter. 

Freude an Gesetzen müsse man in diesem Beruf schon mitbringen, sagt Margrit Kaufmann, denn das Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz (SchKG), das am 1. Januar 1892 in Kraft trat, sei ein uraltes eidgenössisches Gesetz. Eine kaufmännische Ausbildung stelle eine gute Voraussetzung dar, und diese brachte sie mit. Die Mutter von drei Kindern bildete sich stets weiter und besuchte Computer- und Fortbildungskurse, um wieder in ihren Beruf einzusteigen. Diese Gelegenheit bot sich ihr mit der Zusammenlegung der Betreibungsämter von Escholzmatt und Marbach, die sie am 1. September 2000, noch vor der Gemeindefusion, übernahm. Berufsbegleitend absolvierte sie eine Schulung, welche sie mit dem Diplom als Betreibungsbeamtin abschloss. Elf Jahre lang vertrat sie die Region Entlebuch als Rechnungsführerin im Verband der Betreibungsbeamten der Zentralschweizer Kantone.  

Lebensumstände meist als Ursache   

Hautnah miterlebt hat Margrit Kaufman die Entwicklung des Betreibungswesens. Früher wurden die Betreibungsbeamten durch das Volk gewählt, heute sind die Gemeindebehörden zuständig. Viele Gemeinden haben aber Mühe geeignete Fachleute zu rekrutieren. Ein weiterer Grund für die Regionalisierung ist die schweizweit zunehmende Anzahl an Betreibungen. Im Entlebuch kommt es jährlich zu zirka 2700 Fällen. «Heute wird viel schneller betrieben als früher», erklärt Margrit Kaufmann. «Die Gläubiger sind professioneller geworden. Sie können nicht mehr zuwarten, mahnen nicht lange und überlassen das Eintreiben ausstehender Forderungen Inkassobüros oder Anwälten, deren Anzahl ebenfalls zugenommen hat.»

Oft genüge schon eine Scheidung, um in Zahlungsschwierigkeiten zu geraten, hat die Betreibungsbeamtin die Erfahrung gemacht. Natürlich gebe es auch Leute, die über ihre Verhältnisse lebten und Ferien machen würden, die sie sich nicht leisten könnten. Doch bei den meisten seien individuelle Lebensumstände die Ursache. «An einem Stellenverlust wegen Corona trägt beispielsweise niemand Schuld», betont Margrit Kaufmann. Bis jetzt habe dieses Virus aber noch kaum Auswirkungen auf die Konkurse, jedoch auf die Haushalte. Als Beispiel nennt sie eine Frau, welche durch private Dienstleistungen bei einer betagten Nachbarin das Einkommen aufstocken konnte und nun wegen Corona die Seniorin nicht mehr besuchen darf. Dieses Geld fehlt nun der Familie. In solchen Fällen könne man Betroffenen Lösungsmöglichkeiten aufzeigen und sie an Institutionen wie das Sozialberatungs-Zentrum verweisen, wo sie Beratung erhielten. 

Auf die Menschen eingehen können

Auch schwierige Situationen erlebte Margrit Kaufmann. Einmal wurde sie gar bedroht, was bei ihr einen grossen Respekt, aber keine Angst auslöste. «In einem solchen Moment muss man psychologisch vorgehen und warten, bis sich die Person beruhigt hat», sagt sie. In den 20 Jahren ihrer Tätigkeit sei nie etwas passiert und notfalls könne man die Polizei rufen.

Als Eidgenössische Vollzugsbehörde, die dem Bundesamt für Justiz unterstellt ist, haben Betreibungsbeamte dafür zu sorgen, dass Gläubiger zu ihrem Recht kommen. «Wir müssen aber auch zum Schuldner schauen. Das betreibungsrechtliche Existenzminimum dürfen wir ihm nicht wegnehmen, auch wenn manche Gläubiger das gerne hätten. Es ist wichtig, ein Vertrauensverhältnis zum Klienten aufzubauen. Betreibungsbeamte müssen Menschen lieben und auf sie eingehen können.» 

Margrit Kaufmann war mehr als nur Vollzugsbeamtin. Sie bezeichnet sich selbst auch als Psychologin, Schuldenberaterin und Lebensberaterin. Und sie war auch Unternehmerin. Denn Luzerner Betreibungsbeamte erhalten im Gegensatz zu ihren Berner Kollegen keinen Lohn. Sie arbeiten im sogenannten Sportelsystem und müssen Gehälter und Betriebskosten selber erwirtschaften. Die Gebühren sind eidgenössisch geregelt.   

Mehr Zeit für Hobbys

Für Hobbys habe sie bisher kaum Zeit gehabt, sagt Margrit Kaufmann. Sie liebt Handarbeiten und strickt gerne Mützen, Schals und Socken, die sie an die Aktion «2 x Weihnacht» verschenkt. Wenn es die Corona-Situation zulässt, möchte sie mehr Zeit mit ihren vier Enkeltöchtern verbringen, mit ihrem Ehemann wieder im Wohnmobil Ferien auf Campingplätzen machen und ihr Englisch auffrischen. Aber gegenwärtig müsse man wohl noch etwas Geduld haben. So freut sich die 65-Jährige vorerst darauf, wieder in Ruhe Zeitung lesen zu können.

21.01.2021 :: Bernadette Waser-Unternährer (wbe)