Anders

Ein neues Jahr, ein neues Glück. Zwei Schritte vor, kein Blick zurück. In diesem Jahr ganz bestimmt nicht, so denkt auf jeden Fall «Anders». Es kann nur besser werden, meinte er, da ist sich die Wohngemeinschaft einig. In der WG wohnen drei Männer mit dem Vornamen «Anders». Sie haben sich irgendwann kennengelernt und gefunden, sie tun sich zusammen. Er heisst «Anders Denker» und genau das macht er. Er denkt anders, dreht und wendet die Dinge. Dabei findet er mehr Ansätze und kommt dadurch zu anderen Aussagen oder Lösungen. Oft wird er dafür verurteilt, denn diese Denkweise ist nicht für die Allgemeinheit genormt. Das führt dann auch schon mal zu Problemen. Seine beiden Mitbewohner kennen das ebenfalls und finden es auch ungerecht. Es ist das Thema, welches sie miteinander verbindet und weshalb sie zusammen wohnen. Untereinander lassen sie das «Andere» der Freunde zu. «Anders Aussehen» hat schon mit der Verurteilung zu kämpfen, bevor er etwas tut oder sagt, eben nur, weil er anders aussieht. Da ist das Gegenüber manchmal recht schnell. Wenn die Erscheinung, das Outfit oder die Nase nicht stimmt, dann ist die Meinung gebildet, bevor irgendetwas geschehen ist. «Anders Aussehen» muss lediglich in einer Menschenmenge auftauchen und das Getuschel oder das Augenbrauenhochziehen beginnt. Dabei ist er ein echt netter Typ und hilfsbereit dazu. So wie bei «Anders Denker» die Überlegungen anders sind, ist er eine «andere» Erscheinung. Sein Aussehen passt nicht in die Gesellschaftsnorm. Der mit den wenigsten Problemen in der WG ist «Anders Handler». Er macht, was er will und es kommt höchstens zu gerümpften Nasen. Solange das Ergebnis stimmt oder für die anderen nicht von Bedeutung ist, kann er machen, wie es für ihn passt. Wenn er allerdings mit seinem Handeln allein dasteht, dann spürt auch er den Druck der Massen. 

Ich war übrigens zum Neujahrs-Apéro in der WG eingeladen und habe mich köstlich amüsiert. Auch wenn ich anfänglich skeptisch war mit «Anders Aussehen», «Anders Denker» und «Anders Handler», so hatte ich Spass wie nie. Jedes Thema wurde von oben nach unten gekehrt. Der ganze Apéro war anders im Ablauf und später hat mich «Anders Aussehen» mit einem klassischen Klavierkonzert überrascht, mit tätowierten Händen. Zu Hause habe ich noch die halbe Nacht über diese Stunden nachgedacht. Mein Ziel 2021: Ich möchte offener gegenüber «anderem» sein und mich ebenfalls unterscheiden. Um die Perspektive zu ändern, habe ich im Wohnzimmer bereits die Couch umgestellt… 

07.01.2021 :: Martina Jud