Verein löst sich auf: zu wenig Mitglieder, zu viel Zeitaufwand

Röthenbach: Die schweizweit sinkenden Mitgliederzahlen machen auch dem Samariterverein Röthenbach zu schaffen. Der Verein hat seine Auflösung per März 2021 beschlossen.

Seit 76 Jahren leisten die Mitglieder des Samaritervereins Röthenbach Erste Hilfe im Notfall. «Die Aufgaben einer Samariterin oder eines Samariters sind vielfältig und anspruchsvoll. Um zum Beispiel einen Postendienst leisten zu können, benötigen sie diverse Ausbildungen und Zertifikate», sagt Elisabeth Aeschlimann, Präsidentin des Samaritervereins Röthenbach. Das Erlernte müsse alle zwei Jahre in Kursen repetiert werden, dies bedeute einen grossen Zeitaufwand. Dazu käme, dass die Vorgaben laufend verschärft würden, was die Arbeit für die Samariter immer aufwändiger mache. «Diese Faktoren wirken offenbar abschreckend, denn wir verzeichnen seit Jahren einen Mitgliederschwund. Dazu kommt, dass das Angebot für andere Freizeitaktivitäten in unserer Gemeinde hoch ist», resümiert die Präsidentin. 

Ihr sei bewusst, dass das Helfen nicht jedermanns Sache sei. Auch die Vorstellung, in einen «blutigen» Einsatz zu geraten, könne viele von einem Engagement abhalten. «Wir benötigen Menschen mit den unterschiedlichsten Fähigkeiten. Es muss niemand, der dies nicht möchte, an der Front stehen», sagt Elisabeth Aeschlimann. Es gäbe auch organisatorische Aufgaben zu erledigen, die enorm wichtig seien.

Junge Mitglieder fehlen

Vor allem die Jüngeren seien kaum an einem freiwilligen Engagement bei den Samaritern interessiert, bedauert Elisabeth Aeschlimann. Mit einer Kindersamariter-Gruppe und später mit der Help-Gruppe habe der Verein versucht, jüngere Mitglieder anzuwerben, mit mässigem Erfolg. «Die einstige Kindersamariter-Gruppe war zwar gut besucht. Da ich aber beruflich und auch im Verein stark engagiert war, konnte ich diese nicht weiterführen», sagt Elisabeth Aeschlimann. Die Help-Gruppe sei leider nie richtig in Schwung gekommen und daher dieses Jahr wegen Mitgliedermangel aufgelöst worden. 

Nun gibt der Verein seine Auflösung per März 2021 bekannt. «Dieser Entscheid fiel uns schwer. Aber der Aufwand, der beispielsweise das Organisieren einer Übung mit sich bringt, steht nicht mehr im Verhältnis mit den wenigen Teilnehmenden», sagt Elisabeth Aeschlimann. Einige Mitglieder würden wahrscheinlich in anderen Vereinen aktiv bleiben.

Lieber kurzfristige Engagements

«Die sinkenden Mitgliederzahlen sind  in vielen Vereinen schweizweit ein Thema, sagt Rolf Imhof, Präsident des Samariter Regionalverbands Emmental, fest. Dies habe einerseits mit der Überalterung der Mitglieder sowie mit dem Nachwuchsschwund zu tun. Diese Entwicklung entspreche dem Zeitgeist. «Viele jüngere Menschen haben durchaus ein Interesse daran, zu helfen. Sie engagieren sich aber lieber in kurzzeitigen Projekten, die sich über einen definierten Zeitrahmen erstrecken, als in einer langfristigen Verpflichtung, wie dies bei den Samaritern der Fall ist», hält Imhof fest. Dass es nun zur Auflösung einiger Vereine komme, sei zwar schade und für die betroffenen Mitglieder schmerzhaft, aber diese strukturelle Bereinigung sei auch ein Gesundungsprozess. «Als Vergleich kann hier die Fusionierung der Feuerwehren herangezogen werden, die sich auf Grund von neuen Vorgaben zusammengeschlossen haben. Bei den Samaritern passiert zurzeit etwas ähnliches», sagt Rolf Imhof. 

Hohe Akzeptanz

Beim Schweizerischen Samariterbund wurde das Problem erkannt. Er will mit einer neuen Strategie darauf reagieren. Zum Beispiel sollen die komplexen, schwerfälligen Organisationsstrukturen zentralisiert und damit die Verbände und Vereine entlastet werden, umreisst Rolf Imhof das Vorhaben. «Wie in fast allen Bereichen unseres Lebens steigen auch bei den Samaritern die Anforderungen. Damit wir am Markt bestehen können, müssen wir hier mithalten.» Die zahlreichen Anfragen für Einsätze zeige, dass es die Samariter brauche und dass sie in der Bevölkerung eine hohe Akzeptanz geniessen würden.

19.11.2020 :: Veruschka Jonutis (vjo)