«Es ist schon überwältigend, Schweizermeister zu sein»

«Es ist schon überwältigend,  Schweizermeister zu sein»
In der letztjährigen Hallensaison verpasste Sascha Meyer um Haaresbreite den A-Final, weil er strauchelte, gewann dann aber den B-Final überlegen. / Bild: zvg
Leichtathletik: Er durfte als Nachwuchstalent beim FC Thun mittrainieren, als der 15-jährige Oberdiessbacher Sascha Meyer merkte, dass er doch lieber Hürdenläufer sein wollte.

Als Sascha Meyer diesen Herbst an den Schweizermeisterschaften in Lausanne auflief, hatte er erst zweimal die ganze Hürdendistanz absolviert. Er war sich nicht sicher, wie es ihm unter Wettkampfbedingungen laufen würde. Wegen eines Bänderrisses konnte er zuvor wochenlang nicht trainieren. Dennoch unterbot der Oberdiessbacher seine persönliche Bestleistung um fast eine Sekunde von 14.63 Sekunden auf 13.67. Nach seinem Motto «no risk no fun» versuchte der athletische 15-Jährige einfach mal, was möglich war. «Hätte es nicht funktioniert, hätte ich wenigstens gewusst, woran es gelegen hätte», stellt Meyer ganz sachlich fest. 


Vom FC Thun zum TV Länggasse

Dass der talentierte Sportler in der Leichtathletik aufblühen würde, hat er seiner jüngeren Schwester Aline zu verdanken. «Am Anfang fand ich Leichtathletik eher etwas für Mädchen. Als ich meine Schwester aber an einen Wettkampf begleiten durfte und schon bei meinem ersten UBS-Kids-Cup eine Medaille holte, war ich hellauf begeistert von der Leichtathletik», kommt Sascha Meyer ins Schwärmen. Dennoch verlief der Weg bis zum TV Länggasse nicht ganz linear, wendet Iris Meyer, die Mutter des 15-Jährigen, ein: «Sascha machte Karate und spielte Fussball, und zwar so gut, dass die Nachwuchsabteilung des FC Thun auf ihn aufmerksam geworden war.» Nach zwei Jahren Training in Thun und zunehmendem Erfolg in der Leichtathletik entschied sich Sascha Meyer dann aber gegen den Fussball. «Ich merkte, dass ich mich in der Mannschaft nicht so wohl fühlte; ich bin eher ein Einzelkämpfer.» 

Der bisher grösste Triumph

Seine ersten Schritte auf der Tartanbahn erfolgten im Turnverein Oberdiessbach. «Ich war dort fast der einzige Knabe und hatte schon bald keine richtige Konkurrenz mehr.» Deshalb sei er sehr gerne der Einladung des TV-Länggasse-Trainers gefolgt, dort ein Schnupper-Training zu absolvieren. Der Wechsel hat sich gelohnt, wurde Sascha Meyer doch nicht nur Schweizermeister mit seiner Staffel, sondern half auch mit, den Rekord seiner Alterskategorie zu knacken, der aktuell bei 44:61 Sekunden liegt. «Als ich über die Ziellinie lief, realisierte ich gar nicht, dass wir gewonnen haben. Mich interessierte nur unsere Zeit, denn wir hatten ja kurz zuvor schon unseren Teamrekord unterboten und ich wollte wissen, ob wir schneller waren», erinnert sich Sascha Meyer an seinen bisher grössten Triumph. Es sei schon überwältigend, Schweizermeister zu sein und dazu noch einen Rekord gebrochen zu haben, das mache grosse Freude und gebe Sicherheit für die kommende Saison. 


«Ich will das so schaffen»

Auf die Frage, wie der Neuntklässler seine verschiedenen Trainings plus das Gitarrenspielen und die Schule unter einen Hut bringt, antwortet der Hürdenläufer mit einem Grinsen: «Ich muss», korrigiert es zu einem «ich darf», überlegt es sich nochmals und sagt dann mit Bestimmtheit: «Ich will das so schaffen!» Es laufe ganz gut. Bis jetzt sei es immer aufgegangen, dass er nach dem Unterricht nach Bern ins Training habe fahren können. «Manchmal muss ich etwas früher gehen, damit ich den Zug erwische, aber das ist kein Problem.» Aufgrund seiner bisherigen Leistungen ist er Teil der Nachwuchsförderung von Swiss Athletics, damit er optimal trainieren kann. Und, dass er Freude an seinem Sport hat, das sieht man Sascha Meyer an, kaum hat man das Wort Hürdenlauf ausgesprochen. «Ich finde es einfach toll, schnell zu laufen und dann noch über eine Hürde zu springen.» Die Kombination aus Geschwindigkeit und Technik sei das, was ihn fasziniere. Ähnlich wie im Karate müsse man auch beim Hürdenlauf den Bewegungsablauf immer und immer wieder üben, bis er sitzt, erklärt Meyer seine Passion.


Das Zimmer wie ein Fitnessstudio

Derzeit trainiert Sascha Meyer jeden zweiten Tag über zwei Stunden in Bern. Damit aber nicht genug, auch daheim ist er ständig dran: «Mein Vater hat mir Hürden gebaut, mit welchen ich oft auf der Strasse oder im Garten übe. Ausserdem mache ich gerne Schnellkraft- und Dehnübungen, denn als Hürdenläufer muss man beweglich sein», erklärt Sascha Meyer. Sein Zimmer sei auch sein Fitnessstudio. Motivationsprobleme habe er selten, erzählt er, nur manchmal habe er schon nicht so Lust aufs Training. «Sobald ich dann aber dort bin, läuft es von alleine. Jetzt, da ich altersbedingt in eine höhere Kategorie komme, braucht es schon etwas mehr Training, um vorne mit dabei zu sein», gibt sich der Sportler ambitioniert, schwächt dann aber ganz Teenager-mässig wieder ab: «Es ist immer noch ein Hobby, wenn mal etwas nicht läuft, ist das kein Weltuntergang. Immerhin werde ich mich schon bald um meinen Beruf kümmern müssen», so der Leichtathlet, welcher derzeit an der Aufnahmeprüfung zur Spenglerlehre in der Lehrwerkstätte ist. 

Trotz vollgepacktem Terminkalender hat Sascha Meyer auch ambitionierte sportliche Ziele: «Die EM-Limite zu schaffen, wäre ein Traum, damit ich mal an einem internationalen Wettkampf gegen die Besten meines Jahrgangs antreten oder an einem Diamond- League-Final teilnehmen könnte.» Zuerst steht nun, sofern coronabedingt möglich, die Hallensaison vor der Tür, bei welcher Sascha Meyer mindestens einen Podestplatz für möglich hält.

29.10.2020 :: Olivia Portmann (opk)