Geblieben ist das «Franzosenwegli»

Geblieben ist das «Franzosenwegli»
Französische Internierte vor der Mühle Trubschachen / Bild: zvg
Trubschachen: Vor 80 Jahren wurde ein Grossteil der Internierten im Napfgebiet untergebracht. Unter anderem das «Franzosenwegli» und ein Gemälde erinnern an diese Zeit.

Im Sommer 1940 überfielen die Truppen Nazideutschlands in einem Blitzkrieg Belgien, Holland und Frankreich. Bei Kämpfen nahe der Schweizer Grenze wurde ein ganzes französisches Armeekorps, bei welchem auch zwei polnische Divisionen mitkämpften, von den Deutschen eingekesselt. Um nicht in Kriegsgefangenschaft zu geraten, ersuchte General Daille die Schweizer Behörden um Asyl für seine Truppen. Die rund 43’000 Soldaten und Offiziere überschritten am 20. Juni bei Goumois den Doubs und wurden von der Schweizer Armee entwaffnet. Der Bundesrat entschied sich, einen Grossteil der Internierten in der Napfregion unterzubringen.

Geblieben sind Wege und Erinnerungen

Am 27. Juni langten etwa 500 Franzosen in Trubschachen an. Ein Teil von ihnen marschierte gleich in Richtung Trub und Kröschenbrunnen weiter, 217 Soldaten und Unteroffiziere und etwa ein Dutzend Offiziere wurden vorläufig an den verschiedensten Orten im Dorf verteilt, bis die vier vorgesehenen Kantonnemente im Gemeindesaal und in den drei Gasthöfen eingerichtet waren. So kamen auch einige der Franzosen auf den Hof Hohwürz bei Hinterblapbach. Familie Rüegsegger von der unteren Säge in Trubschachen hatte für die Unterbringung der Internierten ihre Ferienwohnung zur Verfügung gestellt. Bevor offizielle Beschäftigungsprogramme organisiert wurden, stellten die Franzosen ihre Arbeitskraft dem dortigen Hofbesitzer zur Verfügung und bauten einen seit langer Zeit gewünschten Weg durch den Hohwürzwald.

Das «Franzosenwegli» auf Hohwürz und etliche andere ausgebaute Weg- und Strassenstücke blieben als Erinnerung an den unfreiwilligen Aufenthalt im Oberemmental zurück. In den letzten Jahrzehnten wurde der Weg im Hohwürzwald nicht mehr gebraucht und war bald mit Gestrüpp und Dornen zugewachsen und an verschiedenen Stellen abgerutscht.

Nach 80 Jahren wurde Sanierung nötig

Anfang Juli hat nun eine Gruppe von ehemaligen Gemeinderäten oder sonst mit der Gemeinde Trubschachen eng verbundene Leute zu Schaufel und Pickel gegriffen und mit der ganzen Sippschaft Thomi vom Bauernhof den vor 80 Jahren gebauten Waldpfad wieder freigelegt. «Das war früher immer unser Sonntagsspaziergang,» sagt eine der Mithelferinnen. Und eine andere ergänzt: «Ja, und hierhin zogen wir uns zurück, wenn wir unsere ersten Zigaretten rauchen wollten.» Der Weg wird in Zukunft von der Familie Thomi wieder häufiger begangen werden. Ein Bänklein an einer schönen Aussichtsecke lädt zum Verweilen ein. Sicher wird auch der eine oder andere Pilzsammler froh sein über den wieder hergestellten Pfad.

Nicht alle Helferinnen und Helfer waren die strenge körperliche Arbeit gewohnt, und manch einer erlahmte nach sechs Stunden intensiver Arbeit. Aber das war wohl auch bei den ursprünglichen Erbauern so gewesen, denn unter den Internierten gab es zahlreiche Intellektuelle und Künstler.

Maler ist nicht gleich Maler

Alfred Rüegsegger, der damals ein Kind war, weiss noch allerlei interessante Details aus der Interniertenzeit zu berichten. Einmal soll einer der Soldaten erklärt haben, er sei Maler, ob man ihm nicht einen entsprechenden Auftrag hätte. Der Vater, Hans Rüegsegger, schlug ihm vor, eine Aussentreppe mit Karbolineum zu behandeln. Da wehrte sich der Franzose vehement und präzisierte, er sei nicht einfach gewöhnlicher Flachmaler, sondern Kunstmaler. Jetzt machte ihm Hans Rüegsegger den Vorschlag, er könne doch das Stammheimet seiner Familie, die Fuhre in Langnau, malen und drückte ihm eine Schachtel Farbstifte in die Hand. Das Ergebnis hängt noch heute bei Alfred Rüegsegger im Altersheim an der Wand und verrät wahrhaftig eine künstlerische Hand.

Einige blieben nicht lange in Trubschachen

Die französischen Soldaten verliessen Trubschachen schon Mitte August wieder. Sie wurden in ein Interniertenlager nach Elgg bei Winterthur gebracht. Nachdem ihre neue Regierung, das so genannte Vichy-Regime, mit Deutschland einen Waffenstillstand geschlossen hatte, durften die internierten Franzosen im Februar 1941 in ihr besetztes Land zurückkehren (die polnischen Soldaten hingegen blieben bis 1946 in der Schweiz interniert).

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs waren übrigens noch einmal Internierte in Trubschachen und vielen anderen Gemeinden des Napfgebietes einquartiert. Diesmal waren es Italiener, welche nach der Besetzung Norditaliens durch deutsche Truppen in die Schweiz geflüchtet waren. Auch über sie gäbe es einiges zu erzählen.

13.08.2020 :: Rudolf Trauffer (rtt)