In der Velowerkstatt hat sich der «Schrübler» Remo Eggimann gut eingelebt. / Bild: Walter Marti (mwl)
Serie «Eingeschränkt leben»: Remo Eggimann, 32-jährig, aus dem mittleren Emmental, fiel nach Gelegenheitsjobs immer wieder in die Arbeitslosigkeit. Mittlerweile arbeitet er in Langnau in der Velowerkstatt der Stiftung Intact und strebt den Eintritt ins Berufsleben an.
Er erzählt seine Geschichte.
Erstes prägendes Ereignis ist für Remo Eggimann der Brand in der Wohnung seiner Familie. Dieser zwang ihn zum Umzug in ein benachbartes Dorf. Am Anfang hätte er gewisse Schwierigkeiten gehabt, Anschluss zu finden. Danach sei es gut gelaufen, bis Differenzen mit seiner Lehrperson aufgetreten seien, was ihn schliesslich den Übertritt in die Sekundarschule gekostet habe. Dazu sei auch noch die Trennung seiner Eltern gekommen. «Das hat bei mir zu Motivationsproblemen und Leistungseinbussen geführt. Als handwerklich Interessierter habe ich mich gefragt, wieso ich mich im Französischunterricht anstrengen oder mit mathematischen Formeln herumschlagen soll.»
Als Oberstufenschüler habe er von einer späteren Karriere als Rally-Automobilrennfahrer geträumt. Eine Lehrstelle fand der Jugendliche schliesslich im benachbarten Luzernischen als Autolackierer. «Die anderen Stifte und ich mussten dabei einiges einstecken, nicht nur verbal. Es ist zu Gewaltanwendungen mit fliegenden Schlüsseln gekommen», sagt Remo Eggimann. Er ergänzt, dass eine Anzeige bei der Lehraufsicht ergab, dass der Betrieb über keine Ausbildungsbewilligung verfügt habe und die Lehre deshalb abgebrochen werden musste.
Oft in die Sackgasse geraten
Eine Vorlehre als Allrounder bei einer Elektroschrott-Recyclingfirma habe ihn nicht befriedigt, eine Lehre bei einer Sägerei musste er nach einem Jahr wegen Rückenproblemen abbrechen. Nach einem weiteren Jahr mit betreutem Wohnen auf einem Bauernhof und einer Vorlehre als Zweirad- und Landmaschinenmechaniker habe er leider keine Anschlusslehrstelle gefunden. Den Autofahrausweis zu erlangen lag aus finanziellen Gründen und ohne Unterstützung der Eltern ebenfalls nicht drin. «Ich bin oft in eine Sackgasse geraten. Alles was ich ergriff, zerfiel in meinen Händen», zieht Remo Eggimann ernüchtert Bilanz. Er sei nach diesen vielen Rückschlägen für einige Jahre mit mehrmonatigen Stopps in Frankreich und Spanien nach Portugal gereist, wo er sich als singender und Gitarre spielender Strassenmusikant und Hersteller von Aschenbechern aus Aludosen seinen Lebensunterhalt verdient habe.
Bei der Sozialhilfe gelandet
Nach seiner Rückkehr arbeitete Remo Eggimann in verschiedenen, zeitlich befristeten Jobs als Hilfsarbeiter. Besonders stolz ist er auf die Einsätze für den Auf- und Abbau der Infrastruktur für grosse Events wie das Greenfield in Interlaken oder das Energy Air Konzert in Bern. Da er aber oft ohne Arbeit war, sei er bei der Sozialhilfe gelandet. Diese bezahle die Wohnungsmiete bis zu einem limitierten Höchstbetrag und die Krankenkassenprämie sowie einen monatlichen Betrag von knapp 900 Franken für den Lebensunterhalt. «Das erlaubt keinen Ausgang mehr. Der Kauf von Bauteilen für sein Hobby Modellbau von Autos oder Eisenbahnen hat enge Grenzen und wenn du einen Hund hast, musst du dich noch mehr einschränken», erklärt Remo Eggimann.
Kaum soziale Einschränkungen
Kollegen aus der Schulzeit und seither gewonnene Freunde würden grösstenteils immer noch zu ihm stehen. «Sie sehen mich als Menschen und nehmen mich, wie ich bin. Ich habe mich nie einsam gefühlt», hält Remo Eggimann fest. Und als ein älterer Mann in Bern ihn während des Musizierens mit der Bemerkung «du würdest gescheiter arbeiten gehen» eingedeckt habe, habe er ihm seine Gitarre hingestreckt und ihn gebeten, diese Arbeit zu verrichten. Eine Frau, die die Szene beobachtete, habe ihm für sein Musikmachen eine grosszügige Spende zugesteckt. Mitleid hat Remo Eggimann mit den vielen, Corona-bedingt arbeitslos werdenden Menschen. «Es tröstet mich nicht, dass nun auch viele andere nicht mehr einer Arbeit nachgehen können. Im Gegenteil, ich befürchte, dass dadurch die Sozialleistungen gekürzt werden müssen, um das Ganze finanzieren zu können», hält er mit besorgtem Gesichtsausdruck fest.
«Ohne Papiere hast du keine Chance»
Remo Eggimann träumt von einer Lehre als Autolackierer, Automechaniker oder Karosseriespengler. «Ich habe mittlerweile viel Arbeits- und Lebenserfahrung, aber ohne Lehrabschlusspapier und Fahrausweis hast du in der hiesigen Arbeitswelt keine Chance», betont er. Remo Eggimann sei sozial stabil, einsatzfreudig und zuverlässig, sagt Stefanie Bartlome, die ihn als agogische Mitarbeiterin im Beschäftigungsprogramm der Stiftung Intact begleitet. Mittlerweile arbeite er 100 Prozent und könne deshalb auch den wöchentlichen Kurstag in Burgdorf zu den Themen Arbeitsmarkt und Bewerbungen besuchen. Remo Eggimann hat sich in der Velowerkstatt gut eingelebt. «Ich bin eben ein guter ‹Schrübler› und hoffe, auf August 2021 eine geeignete Lehrstelle zu finden», hält er abschliessend hoffnungsvoll fest.