«Am Anfang war es für uns strenger, jetzt ist es für die Kinder intensiver»

«Am Anfang war es für uns strenger, jetzt ist es für die Kinder intensiver»
Begonnen hat alles bei HC Huskys Region Schallenberg: Gabi Maurer zeigt mit den Leibchen die Stationen ihrer Kinder. / Bild: zvg
Eishockey: Waschen, fahren, Mahlzeiten vorbereiten und Termine managen, das ist nur die Spitze des Eisbergs, wenn es darum geht Eishockeyspielende Kinder zu unterstützen.

«Ich half beim Tasche packen, beim Ausrüstung anziehen, Schlittschuhe binden. Ich fuhr die Kinder von A nach B, kochte und hatte den Überblick über die Termine», erinnert sich Gabi Maurer aus Röthenbach, Mutter dreier Eishockey-Kinder.

Mittlerweile sind es keine Kinder mehr, sondern junge Erwachsene: Die älteste Domenica Maurer, 20-jährig stürmt für die Brandis Ladies und ist auf dem Weg internationale Frauen-Eishockey-Schiedsrichterin zu werden. Die mittlere Saskia Maurer, 18-jährig gehört als Torhüterin der Schweizer Nationalmannschaft an und spielt für Bomo Thun in der höchsten Liga des Fraueneishockeys sowie bei der U20-Top-Junioren- Mannschaft von Dragon Thun. Der Jüngste ist der 15-jährige Silvano Maurer, der für die U17-Elite der SCL Young Tigers als Verteidiger auf dem Eis steht.


Seit 2006 im Dienste des Eishockeys

Die 49-jährige Gabi Maurer erinnert sich noch auf den Tag genau, als ihr Engagement fürs Eishockey begann: «Im Oktober 2006 kam Domenica mit einem Flyer der Eishockeyschule heim und Saskia sah darauf, dass man bereits als vierjähriges Kind zugelassen ist – sie war damals fünf – und wollte unbedingt auch mit ihrer älteren Schwester ins Training mit. So begann der Einstieg eigentlich ganz sanft, jeweils Samstagvormittag, einmal pro Woche Eishockeyschule», während die Mutter das erzählt, muss sie etwas schmunzeln und gibt zu: «Wir hatten keine Ahnung!» Sowohl ihr Mann David wie auch sie hätten in ihren Jugendjahren eine Sportart betrieben und ausser gelegentlichen Besuchen einzelner Matchs, hätten sie auch nicht viel mit Eishockey zu tun gehabt, erzählt Gabi Maurer. «Es hat sich schleichend entwickelt und so ergeben. Ich kann mich nicht an einen bestimmten Punkt erinnern, an welchem wir uns alle für diese Sportart entschieden haben. Klar gab es beim einen oder anderen Kind zwischendurch eine Baisse, meistens dann, wenn die Leistungen nicht so stimmten. Aber wir haben zu keinem Zeitpunkt jemals eines der Kinder gezwungen etwas zu machen. Manchmal, haben wir einfach an den Durchhaltewille appelliert. Saskia war schon immer sehr fokussiert, und der Jüngste eifert ihr darin nach», so Gabi Maurer. Die Kinder hätten stets selber entschieden und somit sei es für ihren Mann und sie selbstverständlich gewesen sie in dem zu unterstützen, was sie gerne machen wollten. «Wir erachteten den Sport an und für sich als sinnvolle Freizeitbeschäftigung. Klar ist auch das kein Garant dafür, dass die Kinder nicht auf die schiefe Bahn geraten könnten. Aber auf jeden Fall konnten und können sie vieles für ihr Leben lernen», versucht Gabi Maurer zu erklären.


Allen drei gerecht werden

Bis jedes Kind etwa zehnjährig war, habe sich Gabi Maurer um fast alles gekümmert, Fahren, Hilfe in der Garderobe und psychische Unterstützung, notabene nebst dem Haushalt. «Ich hatte das Privileg, nicht auswärts arbeiten zu müssen, so konnte ich mich stets um die Bedürfnisse der Kinder kümmern», erklärt Gabi Maurer im vollen Bewusstsein, dass es anderen Müttern wohl viel schwerer fällt, alles unter einem Hut zu kriegen. 

Als alle drei in Oberlangenegg im gleichen Verein spielten, sei die Organisation einfach gewesen, schwieriger mit den Terminen und dem Überblick sei es dann geworden, als die Kinder alters- und geschlechtsbedingt in verschieden Teams eingeteilt wurden. «Es ist auf jeden Fall eine Erleichterung, können sie mittlerweile, zumindest zum grössten Teil, selbstständig in die Trainings fahren und auch an die Spiele können sie mit einem vom Klub organisierten Bus fahren», erzählt Gabi Maurer. Ihr und ihrem Mann sei es dennoch ein riesen Anliegen, so viele Spiele wie möglich ihrer Kinder live zu sehen. «Das ist schon manchmal ein Diskussionsthema, bei wem wir nun mehr Spiele gesehen haben. Sehr häufig teilen wir uns auf. Dann besucht mein Mann ein Spiel und ich ein anderes. Oder wenn alle Kinder gleichzeitig spielen, besuchen wir keins, damit sich niemand benachteiligt fühlt.» Sonst hätten sie aber in der Familie wenig Reibereien, weil jedes Kind auf einer anderen Position spiele und die Leistungen schlecht verglichen werden können.


«Als Eltern muss man das aushalten»

So wie die Positionen unterschiedlich sind, seien auch die Charaktere der Kinder verschieden, wenn es um die Verarbeitung von Anspannung, Ehrgeiz oder Enttäuschung gehe, erzählt die dreifache Mutter: «Bei Saskia darf ich ja nicht zu viel nachfragen, sonst macht sie ganz zu. Da muss man einfach abwarten. Die anderen zwei kommen heim und erzählen erstmals wie alles gelaufen ist.» Auch wenn sie als Mutter versuche, so gut wie möglich ihre Kinder zu unterstützen, und ihnen den Rücken frei zu halten, sei es Sache jedes einzelnen das Emotionale zu verarbeiten. «Die Zusammenzüge und damit verbundene Selektionen und Reisen sind sehr intensiv, aufwendig und aufreibend», das zehre an den Nerven aller Beteiligten, weiss Maurer zu berichten. «Wir können nicht mehr als trösten, wenn es nicht geklappt hat oder vorbereitend abfedern. So wie beispielsweise bei unserer ältesten Tochter, da ahnte ich, dass es wohl nicht reichen würde für den Sprung in die U18-Auswahl, also habe ich ihr versucht zu erklären, dass ihr somit viel nervenaufreibende Entscheidungen erspart bleiben und man in den Klubs ja auch froh ist, um gute Leute. Es können nicht alle guten Spieler in die Zusammenzüge. So auch bei unserem Sohn Silvano; bei den Jungs ist die Konkurrenz um ein Vielfaches härter, schon alleine dadurch, dass es eben viel mehr Jungs hat, die Eishockey spielen».  


Emotionale Aufregung

Klar hätte sie auch negative Seiten als Eishockey-Mutter erfahren. «Missgunst und Neid war zuweilen hart auszuhalten. Es gab schon auch Zeiten, da habe ich die Kinder einfach vor der Halle abgesetzt, weil ich das Gerede anderer Eltern nicht ertragen konnte. Oder ich ging bewusst an den Spielen auf die gegenüberliegende Seite, um in Ruhe den Match geniessen zu können», erklärt Gabi Maurer bedauernd. Aber, sagt sie darauf ganz resolut: «Dank dem Eishockey haben wir auch als Familie wunderschöne Zeiten erlebt und tolle Menschen kennengelernt», sei es an den Zusammenzügen, wo man Gleichgesinnte traf oder auch auf den Reisen an Turniere im Ausland. «Die emotional anstrengendste Erfahrung erlebte ich
an den Olympischen Winter-Jugend-
Spielen 2016 in Lillehammer, an welchen die Schweizer Eishockey-Frauen mit Saskia im Goal die Bronzemedaille holten. Da sind mein Mann und ich mitgereist und haben die Spiele voller Spannung verfolgt. Nach der Medaillenübergabe sind wir zurück in die Ferienwohnung und haben einfach mal geschlafen», erzählt Gabi Maurer. 

Sie und ihr Mann haben dank des Eishockeys viele, schöne Orte besucht, die sie sonst nicht angepeilt hätten. «Die Erfolge unserer Kinder, egal auf welcher Stufe, sind für uns ein Dankeschön. Aber die Entscheidung, ob sie weitermachen oder nicht, liegt ganz alleine bei ihnen», zieht Gabi Maurer nach gut 14 Jahren im Dauereinsatz als Eishockey-Mutter Bilanz. Denn egal, ob es nur eine Mahlzeit pro Woche sei, die sie gemeinsam einnehmen können oder die Kosten, die für Material, Lager und Reisen anfallen, ihr als Mutter sei es wichtig, dass
die Kinder das machen, was ihnen Freude macht und solange die Freude da ist, würden die Eltern Maurer schauen, dass das Umfeld für ihre Kinder stimmt und ihnen die Rücken freihalten, damit sie ihre Sportart
Eishockey ausüben können.

09.07.2020 :: Olivia Portmann (opk)