Masken mit Sichtfenster helfen beim Lippenlesen

Masken mit Sichtfenster helfen beim Lippenlesen
Toni Schmid zeigt eine selbstgemachte Schutzmaske mit Sichtfenster, die das Lippenlesen ermöglicht. / Bild: Bernadette Waser-Unternährer (wbe)
Entlebuch: Die Organisation «Pro Audito» zeigte auf, wie Hörbehinderten mit speziellen Masken und schriftlichen Videokonferenzen die Kommunikation erleichtert werden kann.

«Inklusion und Chancengleichheit müssen auch in Krisenzeiten gewährleistet sein», schrieb «Pro Audito Schweiz», die Organisation für Menschen mit Hörproblemen, im April in einer Medienmitteilung. Toni Schmid, Präsident des Vereins «Pro Audito Entlebuch/Wolhusen» kennt die Problematik, genauso wie Schriftdolmetscherin Silvia Gabriel. 

Lesen, statt Hören

Das Schriftdolmetschen ist eine Dienstleistung, die «Pro Audito Schweiz» seit Jahren anbietet. Silvia Gabriel absolvierte die Ausbildung nach einem Linguistik-Studium und arbeitet seit sieben Jahren für «Pro Audito» im Team der zwölf Fachpersonen, die Veranstaltungen simultan mitschreiben. Toni Schmid kennt das Schriftdolmetschen aus den Sitzungen mit der Fachkommission HÖV, die sich für Hörbehinderte im öffentlichen Verkehr einsetzt. Er gehört selber zu den 1,3 Millionen Betroffenen in der Schweiz. Mit einem Hörverlust von 83 Prozent sei er froh, alles Gesagte projiziert auf die Leinwand in Echtzeit lesen zu können, sagt er. «Wir Schwerhörige verstehen einiges, aber nicht alles. Darum sind wir auf das Lesen angewiesen. Auch Schutzmasken sind für mich eine Katastrophe, wenn ich nicht mehr von den Lippen ablesen kann.»

Spezialmaske noch nicht erhältlich

«Pro Audito Schweiz» und der Schweizerische Gehörlosenbund haben das Problem erkannt. Sie empfehlen allen Branchen des Dienstleistungssektors und den Fachleuten im Gesundheits- und Sozialwesen für die Kommunikation mit Hörbehinderten die Verwendung von Plexiglasvisieren oder Schutzmasken mit transparentem Sichtfenster. «In der Schweiz sind wir hintendrein», sagt Toni Schmid und zeigt eine hierzulande noch nicht erhältliche, selbstgemachte Mustermaske mit Sichtfenster. 

Herausforderung: Videokonferenz

Während des Lockdowns wurden Silvia Gabriels Einsätze als Präsenzdolmetscherin vor Ort abgesagt und durch Videokonferenzen ersetzt. Letztere stellen für Hörbehindere eine neue Herausforderung dar. Zwar gebe es auch da teilweise Untertitelungen, berichtet Toni Schmid. «Die laufen aber nicht synchron, kommen zu spät und das Lippenlesen dauert länger.» Für dieses Problem bietet «Pro Audito» die Live-Verschriftlichung von Videokonferenzen an. Dabei schaltet sich die Schriftdolmetscherin in eine Videokonferenz ein, schreibt alles mit und übermittelt es gleichzeitig auf den PC der hörbehinderten Person.

Toni Schmid nahm diesen Dienst noch nie in Anspruch. Silvia Gabriel zeigt ihm auf dem Laptop, wie es geht. Mit 600 Anschlägen pro Minute tippt sie das Gespräch, in das sich alle einschalten konnten, auf der zweiten Tastatur ein. Am Tisch sitzend kann Toni Schmid am Bildschirm lesen. Lippenlesen ist nicht mehr nötig und die Distanz war gewährleistet. «Ich war schon an vielen Anlässen», sagt er zum Schluss: «Im Entlebuch kam Schriftdolmetschen noch nie zum Einsatz, obwohl es genauso wichtig wäre, wie Gebärdendolmetschen.»

11.06.2020 :: Bernadette Waser-Unternährer (wbe)