Von den Erfahrungen mit dem Wolf im Bündnerland profitieren

Von den Erfahrungen mit dem Wolf  im Bündnerland profitieren
Eggiwil: An einem Informationsanlass wurde sachlich über Erfahrungen mit dem Wolf orientiert und Lösungen zur Vermeidung von Schäden aufgezeigt. Die Diskussion verlief emotionaler.

Christine Bieri, Lehrerin in Eggiwil, organisierte als Privatperson einen Informationsanlass zum Thema «Unser neuer Nachbar, der Wolf». «Die Diskussionen um den Wolf werden sehr emotional geführt. Dieser Anlass mit kompetenten Referentinnen und Referenten soll zu einer Versachlichung des Themas führen», begründete sie bei der Begrüssung der über 100 anwesenden Personen im Gasthof Bären ihr Engagement.



M76 seit 2017 im Oberemmental

Der Wolfsrüde M76 sei vor vier Jahren als etwa zweijähriges Tier aus dem Kanton Graubünden via Giswil im Oberemmental angekommen, wusste Fritz Dürig, zuständiger Wildhüter in der Region, zu berichten. Das habe auch zu Rissen von Wild- und einzelnen Nutztieren geführt. «Dass das bei den Tierhaltern zu Emotionen geführt hat, ist verständlich», meinte er und ergänzte, dass der Wolf in der Gegend bleiben werde, weil in der freien Natur ein reiches Nahrungsangebot vorhanden sei. Dementsprechend seien die Risse von Nutztieren deutlich zurückgegangen. Solange kein Weibchen in die Gegend komme, werde sich an dieser Situation vorläufig nichts ändern, so Fritz Dürig.



In 19 Jahren viel lernen müssen

Im Kanton Graubünden ist der Wolf 2001 aus Italien kommend eingewandert. «Wir haben seither sehr viel lernen müssen und verfügen nun über Erfahrung, um die Probleme mit dem Wolf in den Griff zu bekommen», erklärte Pirmina Caminada, Referentin und Wildhüterin im Val Lugnez. In ihrem Gebiet würden sich zeitweise drei Wolfsrudel aufhalten. Durch ein gezieltes Monitoring habe man viel über die Verbreitung und das Verhalten der Wölfe erfahren können. Der Wolf sei schlau und neugierig. Besonders Jungtiere würden sich teilweise bis ins Siedlungsgebiet vorwagen. «Diese müssen wir mit klaren Verhaltensregeln erziehen. Sich den Tieren nicht nähern, sie mit klarer Stimme verscheuchen und keinesfalls Essensreste offen herumliegen lassen», empfiehlt die erfahrene Wildhüterin. Wo sich Wölfe an den Menschen gewöhnt oder kranke Tiere die Scheu verloren hätten, müsse der Kanton mit Vergrämungsaktionen rasch eingreifen, notfalls auch mit einem Abschuss, folgerte die Wolfkennerin.



Herdenschutz hat Grenzen

Peter Berger, Herdenschutzbeauftragter beim Inforama des Kantons Bern, orientierte über die Möglichkeiten, Schaf- und Ziegenherden vor dem Wolf zu schützen. «Die meisten Herden im Emmental sind zu klein, um einen Herdenschutzhund einzusetzen. Die elektrische Zäunung ist erfolgsversprechender, hat aber je nach Topografie auch ihre Grenzen», schätzte er die Situation im Oberemmental ein.



Die Sichtweise des Publikums

Eigentlich war vorgesehen, dass die Veranstaltungsteilnehmenden – meist Landwirte und Jäger – der Referentin und den Referenten Fragen stellen können. Sie zogen es aber vor, ihre Sichtweise zum Thema Wolf einzubringen. «Der Wolf geniesst vollen Schutz. Viele kleine Tiere wie Hasen und Bodenbrüter werden aber gefressen. Wildtiere verfangen sich in Schutzzäunen und verletzen sich oder verenden», war etwa zu vernehmen. Verschiedene Votanten störten sich an den hohen Kosten für das Management des Wolfes und des Herdenschutzes zu Lasten der Steuerzahler und der Nutztierhalter. Stimmen aus dem Publikum, die sich «pro Wolf» äusserten, blieben aus.

Pirmina Caminada und Fritz Dürig meinten abschliessend, dass es nicht darum gehe, ob man den Wolf wolle oder nicht. Er sei hier und werde sich wie überall in Europa ausbreiten. «Die Schaffung eines tragbaren Nebeneinanders von Mensch und Wolf stellt eine grosse Herausforderung dar. Erforderlich sind dazu viel Wissen über den Wolf, eine transparente, sachliche Kommunikation und ein runder Tisch mit allen Beteiligten», zogen sie übereinstimmend Bilanz.

12.03.2020 :: Walter Marti (mwl)