Viren

Auszeit:

«Sag mal, hat Gott auch die Viren geschaffen?», fragte mich kürzlich jemand angesichts der momentan herrschenden Corona-Hysterie. Ich musste zuerst etwas nachdenken. In der Bibel lesen wir nichts von Viren und Bakterien, damals waren für Krankheiten noch die bösen Geister zuständig. Aber die Frage zielte ja am Schluss wohl darauf ab: Woher kommt das Böse? Und da scheiden sich die Geister. Ich gab eine ausweichende Antwort, aber die Frage liess mir keine Ruhe. Ich rief meinen Freund Bruno, den Biologen, an. Er sagte mir, dass Viren zwar Krankheiten auslösen könnten, aber noch ganz andere Funktionen hätten: «Ohne Viren gäbe es uns Menschen ziemlich sicher nicht, vielleicht nicht einmal Leben. Mindestens acht Prozent unserer Gene stammen von Viren. Zudem hat der ständige Abwehrkampf gegen die Viren uns resistenter auch gegen andere Krankheiten gemacht.» Spannend! Ich hatte doch schon immer das Gefühl, dass das Negative auf der Welt auch positive Auswirkungen haben kann! So, wie unser Körper sich andauernd mit Krankheitserregern auseinandersetzen muss und dadurch stärker wird, so kann eine lästige Krankheit für unsere Seele heilsam sein. Vielleicht holt sie uns wieder auf den Boden zurück, reisst uns aus der Selbstverständlichkeit des Alltags heraus, öffnet uns neue Perspektiven. Und was wir vorher als Feind gefürchtet haben, wird uns zum Freund.

Das Leben erscheint uns weniger schwarz-weiss als vorher. Was wissen wir, ob das, was wir als böse empfinden, tatsächlich böse ist? Und ob ein schweres Schicksal uns nicht plötzlich zum Segen werden kann? Das Licht ist ohne den Schatten nicht zu haben, die Freude nicht ohne den Schmerz. Wenn mich heute jemand fragen würde, ob Gott auch die Viren geschaffen hat, würde ich mit überzeugung sagen: «Ja, natürlich!»


05.03.2020 :: Samuel Burger