«Ich darf Cartoons über alte Leute zeichnen – ich bin kompetent!»

«Ich darf Cartoons über alte Leute zeichnen – ich bin kompetent!»
Emmental: Endlich hat der Cartoonist Jürg Kühni die Zeit gefunden, um ein Buch herauszugeben. Es ist sein zweites; das erste habe der Verleger verlegt, erklärt Jürg Kühni und lacht.

Von der ersten bis zur letzten Seite hat Jürg Kühni in seinem Buch «Vom Alter: Gezeichnet» Pointen eingebaut. Im Zentrum stehen die rund 80 grossformatigen Cartoons. Aber auch daneben gibt es einiges zu lachen. Wem Kühnis Zeichnungen zu wenig sind, kann sich selber kreativ betätigen. Der für die Skizzen nötige Bleistift wird mit dem Buch gleich mitgeliefert.



Jürg Kühni, nach über 30-jähriger Tätigkeit als Cartoonist kommt endlich  dein zweites Buch. 

Dass der Verleger das erste Buch verlegt hat, ist natürlich ein Scherz. Ich fand aber das Wortspiel lustig. In Tat und Wahrheit fand ich erst jetzt die Zeit, um endlich mein erstes Buch zu machen.



über all die Jahre ist eine riesige Auswahl zusammengekommen. Alleine für die «Wochen-Zeitung» hast du weit über 1000 Cartoons gezeichnet. 

Ich habe in der Tat einen wahnsinnig grossen Fundus. Im Buch zu sehen sind vor allem Cartoons, die ich in meinem Ordner «einfach so» gesammelt habe. Das sind Dinge, die ich einmal aufgeschnappt und gezeichnet habe, ohne Auftrag. Manche sind schon ziemlich alt. Für das Buch habe ich deshalb einige neu gezeichnet.



Wie bist du auf den Titel «Vom Alter: Gezeichnet» gekommen? 

Die Idee ist eigentlich bei einer Ausstellung entstanden, die ich gemeinsam mit meinem Bruder, Ueli, der Acrylbilder malt, gemacht habe. Die Ausstellung fand in einem Altersheim statt und ich habe mir vorgenommen, das Alter etwas von der heiteren Seite zu betrachten. «Vom Alter: Gezeichnet» ist natürlich auch sehr doppeldeutig: Ich zeichne übers Alter und bin vom Alter gezeichnet.



Du nimmst in mehreren Cartoons
ältere Leute aufs Korn. 

Ich darf das! Mit 67 Jahren bin ich kompetent, was das Alter anbelangt. Wenn man älter ist, hat das aber auch seine Vorteile: Beispielsweise muss ich nicht mehr lange überlegen, ob ich die Treppe oder den Lift nehmen soll – klar den Lift! Und was die Cartoons betrifft, wird mein Fundus an Lebenserfahrung immer grösser; das Archiv im Kopf füllt sich. Eine gewisse Lebenserfahrung ist für das Cartoonzeichnen unablässig; es gibt auch nur ganz wenige junge Cartoonisten.



Und wie lebt es sich als Cartoonist im Pensionsalter?

Extrem gut. Ich und meine Frau haben viel Zeit – für uns und für neue Projekte wie das zweite Buch.



Es ist ein stattliches Werk geworden.

Ich habe mir gesagt, wenn ein Buch, dann etwas rechtes: 90 Seiten, grossformatige Cartoons, gebunden und mit richtigen Buchdeckeln. Ich habe sehr Freude, wie es rausgekommen ist – ich hoffe die Leser auch.



Einige Seite sind aber leer?! 

Ach, hast du das bemerkt? Das war natürlich Absicht. Beim Zusammenstellen der Cartoons kam mir plötzlich der Gedanke, dass die Leserinnen und Leser vielleicht selber Lust haben zu zeichnen. Aus diesem Grund sind leere Seiten im Buch und ein Bleistift angeheftet.



Hast du noch einen Tipp für jemanden, der in der Schule mal eine 4 im Zeichnen hatte? 

üben, üben, üben. Das meiste ist reines Handwerk. Ich hatte beispielsweise auch lange Zeit Mühe, die Hände meiner Figuren in allen möglichen Stellungen zeichnen zu können. Das hatte zur Folge, dass in den ersten Jahren viele meiner Figuren die Hände in die Taschen steckten. Was die Schule betrifft, war Zeichnen natürlich mein Lieblingsfach. Der Lehrer sagte jeweils: «Kühni sowieso 6!»

Was ist für dich das Spannende am Cartoonzeichnen?

Das Skizzieren ist das schönste; zu sehen, wie die Figuren wachsen. Wenn dann am Schluss noch eine Pointe dabei rauskommt, umso besser. Manchmal entsteht beim Skizzieren sogar eine Pointe, die ich vorher auch gar nicht erwartet hatte. Die anschliessende Reinzeichnung und das Colorieren ist dann wieder mehr Handwerk.



Du spielst nicht nur mit Strichen, sondern auch mir Worten – so heisst die Castingshow für Alte «Deutschland sucht den Grauen Star».

(lacht) Das sind so Worte, über die ich mal gestolpert bin.



Ich hoffe, du hast dir nicht die Knie aufgeschürft.

Danke der Nachfrage. Aber das Schöne am über Wörter stolpern ist, dass die Unfallgefahr klein ist. Ich finde, es gibt ganz viele Wörter und Redewendungen, die ganz widersprüchlich sein können. Kommt eine Pointe, die zu zeichnen ich nicht übers Herz bringe, schiebe ich sie einfach unten durch. 



Planst du Band 3 oder 4, je nach dem, ob der Verleger den dritten verlegt?

Puh. Sag niemals nie. Für den Moment freue ich mich erst einmal über mein erstes Buch

Routinierter Cartoonist
Lacht gerne und bringt die Leute gern zum Lachen: Jürg Kühni. Jürg Kühni, 67 Jahre alt, lebt und arbeitet in Burgdorf. Er ist verheiratet und Vater zweier Söhne. Seit 1992 zeichnet Jürg Kühni den «Brissago»-Cartoon für die «Wochen-Zeitung». Seine Zeichnungen erscheinen weiter in verschiedenen Zeitschriften und auf Websites, unter anderem im «Nebelspalter». Er war Mitbegründer und langjähriger Direktor des weit über die Landesgrenze hinaus bekannten internationalen Cartoon-Festivals Langnau, das zwischen 1998 und 2013 insgesamt sechs Mal mit grossem Erfolg durchgeführt wurde.  Jürg Kühni betätigt sich als einer der wenigen Cartoonisten auch als Live-Zeichner. Salome Zürcher
21.11.2019 :: Bruno Zürcher (zue)