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Trotz Klimadebatte: «Mit grossen Veränderungen ist nicht zu rechnen»

Trotz Klimadebatte: «Mit grossen  Veränderungen ist nicht zu rechnen»
Wahlen: In zehn Tagen wird gewählt. 15 Parteien und 4600 Personen bewerben sich um einen Sitz im Nationalrat. Es gewinnt, wer am meisten Leute an die Urne bringt. Wie gelingt das?

Seit Wochen strahlen Gesichter von Plakaten. Wahl-Slogans dominieren die Inserateseiten. An Ständen warten Werbegeschenke und kommunikative Kandidatinnen und Kandidaten auf Passanten. Auf den sozialen Medien heischen Kampagnen um Aufmerksamkeit. Was bringts? Antworten hat der Politologe Marc Bühlmann. Er ist Direktor von Année Politique Suisse der Universität Bern. Diese inzwischen auch digitale Plattform dokumentiert seit über 50 Jahren die Schweizer Politik.



Herr Bühlmann, welche Parteien werden bei den Wahlen vom 20. Oktober zulegen können?

Prognose gebe ich keine ab. In der Regel gehört zu den Wahlsiegern, wer die eigene Klientel mobilisieren und zusätzlich Leute aufgrund von Themen an die Urne bringen kann. Dies gelang der SVP bei den letzten Wahlen mit dem Thema Migration.



Dann können sich die Grünen und die GLP in Zeiten von Klimademos und -debatten freuen.  

Sie können vom Thema sicher profitieren. Die Frage ist aber, ob es ihnen gelingt, nicht nur ihre Stammwählerschaft zu mobilisieren, sondern auch Leute, die vorher nicht gewählt haben. Die kantonalen Wahlen in Basel-Stadt und Zürich zeigten, dass dies möglich ist. Zudem konnten die Grünen dort nicht auf Kosten der SP zulegen, wie das sonst häufig der Fall ist, sondern auch zulasten der SVP.



Sind denn die Stimmberechtigten heute bezüglich der Wahl der Partei flexibler als früher? 

Der Anteil der Stammwähler liegt wohl immer noch zwischen 35 und 45 Prozent, aber er ist sinkend. Man wählt je nach Thema mal diese mal jene Partei. Die politische Ausrichtung dagegen – links, rechts, Mitte – ist noch immer relativ stabil. Gewechselt wird vor allem innerhalb der Lager, beispielsweise von der SVP zur FDP, von der CVP zur BDP oder eben von der SP zu den Grünen.



Dann werden sich die Blöcke im Parlament gar nicht so gross verschieben, auch wenn Umfragen den Grünen den Wahlsieg und der SVP Verluste voraussagen? 

Mit den ganz grossen Veränderungen ist tatsächlich nicht zu rechnen, und von einer grünen Mehrheit sind wir weit entfernt. Wenn die SVP beim Wähleranteil ein paar Prozentpunkte verliert und die Grünen etwas dazugewinnen, sprechen wir von einer gesamtschweizerischen änderung von vielleicht fünf bis zehn Sitzen.



Trotzdem sieht sich die SVP in der Defensive, das Klima ist nicht ihr Thema. Was tun? Provozieren? 

Im Gespräch zu sein, ob nun positiv oder negativ, ist immer gut. Die SVP verfolgte mit ihrem Wurm-Plakat diese Strategie. Auch dass sich einzelne ihrer Exponenten davon distanzierten, gehört zur Kampagne. Gleichzeitig versuchte sie mit dem Plakat, die Themenhoheit zurückzuerobern, weg von der ökologie, hin zu ihren Kernanliegen: Anti-Europa und Anti-Migration.



Geht diese Strategie auf? 

Solche Kampagnen haben einen mobilisierenden Effekt, vor allem auf die eigene Klientel. Andererseits bergen sie auch Risiken, etwa indem die politischen Gegner aufgeschreckt und an die Urne bewegt werden. Dasselbe gilt übrigens auch für die Google-Kampagne der CVP, mit der sie andere Parteien attackiert.



Sie sprechen die sozialen Medien an. Welche Rolle spielen sie in diesem Wahlkampf?

Sicher müssen alle Kanäle bewirtschaftet werden, dazu gehören auch die sozialen Medien. Meiner Meinung nach ist deren Einfluss aber nicht sehr bedeutend. Die grosse Mehrheit der Wählerinnen und Wähler gerade der etablierten Parteien nutzt Facebook, Insta-
gram und Co nicht. Erreicht werden vor allem junge Leute, die eher selten wählen gehen. Längerfristig kann es sich aber auszahlen, wenn eine Partei auf den sozialen Medien präsent ist – nicht nur vor Wahlen und Abstimmungen.



Welche Methoden gelten denn als besonders erfolgreich im Mobilisieren der Wählerschaft?

In Umfragen bei der Bevölkerung liegen die klassischen Medien wie Fernsehen, Zeitungen und Radio immer noch vorne. Dort informiert man sich mehrheitlich. Die beste Variante, jemanden von sich oder seiner Partei zu überzeugen, ist der direkte Kontakt etwa an der Haustür. Allerdings ist dies sehr aufwändig und man erreicht nicht die Massen.



Da ist die regionale Verankerung
einer Partei entscheidend.

Ja, und da hat die SVP gerade in den ländlichen Regionen des Kantons Bern grosse Vorteile: Einer Partei, die in der Gemeinde Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern zeigt, gibt man auch national eher die Stimme.






10.10.2019 :: Silvia Wullschläger (sws)