«Ein Kino auf dem Land war schon etwas Spezielles»

«Ein Kino auf dem Land war schon etwas Spezielles»
Signau: Nach 56 Jahren schliesst das Kino Roxy am 18. Oktober seine Türen. Wegen der stark gesunkenen Publikumszahlen hat sich die Familie Wälti zu diesem Entscheid durchgerungen.

Seit den 1960er-Jahren wird im Kino Roxy gelacht, geweint oder geträumt. Damit ist nun Schluss: «Die Schliessung des Kinos war ein schwerer Entscheid für die ganze Familie. Aber die finanzielle Situation hat uns dazu gezwungen», begründet Molly Wälti den Beschluss. Die Zuschauerzahlen seien seit Jahren rückläufig und im letzten halben Jahr habe es einen weiteren, massiven Einbruch gegeben. «Wir haben zwar ein Stammpublikum, aber dieses wird älter und geht immer weniger am Abend noch aus, um sich zum Beispiel einen Film im Kino anzusehen.»

Ein Landkino wie das Roxy sei auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen; diese Unterstützung habe leider immer mehr gefehlt. Gerade die jüngere Generation habe ihr Verhalten stark geändert; Filme würden vermehrt via den neuen Medien konsumiert.



Sissi-Filme als Kassenschlager

Komfortabler war die Ausgangslage, als Walter und Huldi Wälti 1962 das Kino Roxy eröffneten. «Noch längst nicht in jedem Haushalt stand ein Fernseher und auch sonst gab es nicht so viele Unterhaltungsangebote und Ausgangsmöglichkeiten wie heute. Mein Schwiegervater war ein guter Geschäftsmann und hatte mit der Eröffnung des Landkinos den richtigen Riecher zum richtigen Zeitpunkt», sagt Molly Wälti. Ein Kino in Signau – das sei schon etwas Neues und Spezielles gewesen.

Damals waren vor allem Heimatfilme, die Sissi-Filme mit Romy Schneider und die ersten Streifen mit dem Geheimagent 007 – James Bond – die Kassenschlager. Auch später bemühte sich die Familie Wälti, aktuelle Kinofilme zu zeigen. «Mein Mann hatte gute Kontakte zu den Filmverleihern, so dass wir immer die neusten Produktionen in unserem Programm anbieten konnten», erzählt Molly Wälti.

1985 übernahmen sie und ihr Ehemann Willi das «Roxy» in der zweiten Generation. «Die Entwicklung, welche die Filmbranche von der Filmspule zur digitalen Projektion erlebte, war ­rasant. Um den Anschluss nicht zu verpassen, mussten wir laufend neue Investitionen tätigen.»



Erster Digitalprojektor im Kanton

Das Ehepaar Wälti renovierte 1986 den gesamten Kinosaal und installierte eine Grossleinwand. Vier Jahre später wurde der Saal mit einem Dolby-Surround-System aufgewertet; 2007 wurde im «Roxy» der erste Digitalprojektor im Kanton Bern eingerichtet. «Als mein Mann 1999 starb, habe ich die Führung des Kinos Roxy übernommen. 2005 übergab ich das Kino an unsere Kinder, die es heute in der dritten Generation führen», sagt Molly Wätli. Sie ist noch als Geschäftsführerin tätig, da ihre beiden Kinder berufstätig sind.



Die Zeit des Kinos ist vorbei

Mit der letzten Vorstellung am Mittwochabend fällt der Vorhang nach einer fast 60-jährige Familientradition. «Die Schliessung macht die ganze Familie und auch unser Team traurig, das Kino hat uns über 30 Jahre lang begleitet. Aber ich bin mir auch bewusst, dass ich diese Arbeit nicht mehr ewig machen könnte», räumt die 77-jährige Geschäftsführerin ein. Ob die Kino-Schliessung für Signau und Umgebung einen Verlust bedeute, kann sie nicht beurteilen. Sie könne sich allerdings vorstellen, dass es ein paar Leute gebe, die das bedauern werden. «Aber man muss auch die Realität erkennen – die grosse Zeit des Kinos ist vorbei.»

Was mit dem Kino Roxy und dem Gebäude an der Dorfstrasse passieren wird, ist noch offen.

11.10.2018 :: Veruschka Jonutis (vjo)