«Ich wollte nicht etwas vorspielen, sondern authentisch sein»

«Ich wollte nicht etwas vorspielen, sondern authentisch sein»
Flühli: Vroni Thalmann zieht ein positives Fazit ihres Jahres als Kantonsratspräsidentin. Nun freut sie sich aber darauf, wieder «richtig» politisieren zu können – und auf etwas mehr Ruhe.

Vor einem Jahr hat Vroni Thalmann (SVP) aus Flühli ihr Jahr als Präsidentin des Luzerner Kantonsrats angetreten. An zig Veranstaltungen war sie präsent, hielt Grussbotschaften hier und Ansprachen dort, suchte das Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern und schüttelte reihum Hände. Die 49-Jährige leitete 16 Sessionen und scheute sich nicht, auch mal einem Redner das Mikrofon abzuschalten.



Frau Thalmann, Sie waren in Ihrem Präsidialjahr omnipräsent. Insgesamt haben Sie 185 Anlässe auf Ihrer Homepage dokumentiert – ein Riesenpensum.

Es war schon eine intensive Zeit, aber das habe ich vorher ja gewusst. Es hat mich nicht gestresst. Mein Motto war von Beginn weg, dass mich die Leute kennenlernen sollen, wie ich bin. Ich wollte nicht etwas vorspielen, sondern authentisch sein. Es ist mir, glaube ich, gelungen, an die Menschen heranzukommen.



Wie haben Sie die Anlässe ausgewählt? 

Einige grössere Veranstaltungen wie das kantonale Musikfest habe ich mir vorgemerkt, bei den anderen Anfragen war das Motto «dr ender isch dr gschwinder». Wichtig war mir, dass ich dort, wo ich anwesend war, vorher oder nachher noch mindestens eine Stunde Zeit hatte für Gespräche. Ich bin nie nur hingegangen, um mich zu zeigen oder eine Rede zu halten und sofort wieder zu verschwinden.



Sie sitzen auch noch im Gemeinderat von Flühli, haben Familie und einen Bauernbetrieb. Wie konnten Sie das alles unter einen Hut bringen?

Die Termine im Gemeinderat konnte ich bis auf wenige Ausnahmen wahrnehmen, das war planbar. Zu Hause ist es natürlich schon etwas turbulent zu und her gegangen. Zum Glück konnte mein älterer Sohn vermehrt auf dem Betrieb helfen und die Schwiegermutter hat oft gekocht. Ohne die Unterstützung der Familie wäre es schlicht nicht gegangen. Aber klar, manches im Haushalt ist auch liegengeblieben. Den Frühlingsputz mache ich nun halt im Sommer oder Herbst.



Wurden Sie der ganzen Sache nie überdrüssig?

Die erste Hälfte des Mais war besonders streng. Ich hatte Gemeinderat, dann war Session, die Reise an die Vereidigung der Schweizergarde in Rom, das Amts- und Wyberschiessen und die Auftritte mit der Trachtengruppe Flühli. Einfach Non-Stop-Programm. Da musste ich mal einen halben Tag nur für mich einschalten und durchatmen.



Repräsentative Aufgaben sind das eine, als Präsidentin bestand Ihre Aufgabe aber vor allem darin, die Sessionen zu leiten.

Vor dieser Funktion hatte ich am meisten Respekt. Als Vorsitzende muss man während der ganzen Session präsent und aufmerksam sein, damit man nichts verpasst oder überhört. Am Ende einer Debatte mit Anträgen, Gegenanträgen oder änderungsanträgen immer zu wissen, was nun dran ist, war nicht immer ganz einfach. Ich habe mich jeweils gut vorbereitet, Notizen gemacht und hielt immer den gleichen Ablauf ein.



Ist nie etwas schief gelaufen?

Es war sicher nicht alles perfekt, aber in ein Fettnäpfchen bin ich nie getreten und grobe Fehler sind mir nicht unterlaufen. Einmal habe ich vergessen, das Wort dem Kommissionspräsidenten zu geben. Ein andermal musste ich über den Mittag abklären, wie korrekt über einen Ordnungsantrag mit Gegenantrag abgestimmt wird.



Mussten auch Sie manchmal für Ordnung sorgen und durchgreifen? 

Ja, das hat es gegeben. Allgemein habe ich probiert, die Sitzungen straff zu führen. Den Inhalt einer Vorlage dreimal in unterschiedlichen Worten zu hören, bringt nichts. Wenn alle Argumente auf dem Tisch lagen, war ich bestrebt, möglichst zügig zur Abstimmung zu schreiten. Kam ein Parlamentarier trotz Mahnung zu keinem Ende, musste ich halt auch mal das Mikrofon abschalten.


Sie mussten sich mit Ihrer eigenen Meinung zurückhalten. Das war sicher nicht ganz einfach.

Meine Aufgabe war das Leiten der Sessionen, zu den Geschäften sagte ich nichts. Ich sass in diesem Jahr auch in keiner Kommission. Manchmal ist es mir schon schwer gefallen, immer auf «Enthaltung» zu drücken, aber die Präsidentin hat neutral zu sein. Einen Stichentscheid musste ich nie fällen.



Jetzt sind Sie froh, Ihre Meinung wieder äussern zu dürfen.

Ja, ein Jahr ist genug. Ich freue mich darauf, wieder etwas bewegen zu können. Neu werde ich ab Ende Jahr als Strategiechefin der SVP Kanton Luzern die Schalt- und Schnittstelle zwischen der Partei und der Basis etwas schmieren. Darauf freue ich mich.



Ihre Familie ist sicher auch nicht unglücklich, dass dieses Jahr vorbei ist.

Ja, sicher wird es jetzt etwas ruhiger und ich werde auch wieder öfter zu Hause sein.



Nachfolgerin von Vroni Thalmann als Kantonsratspräsidentin wird Hildegard Meier-Schöpfer (FDP) aus Willisau.

05.07.2018 :: Silvia Wullschläger (sws)