Fische statt Schweine

Fische statt Schweine
Aufschlag: Im einstigen Schweinestall auf dem Hof Steinibach in Flühli mästet Guido Wicki neu Fische. Läuft die Anlage dereinst auf Hochtouren, schwimmen dort 9000 Zander in den Becken.

Guido Wicki ist einer der rund 60 Landwirtinnen und Landwirte, die sich vor sechs Jahren an einer Fachtagung über die Fischhaltung auf Bauernhöfen begeistern liessen. Der Fischkonsum in der Schweiz nehme stetig zu, die Produktion liege aber lediglich bei sieben Prozent. Zudem deuteten die abnehmenden Wildfischbestände darauf hin, dass bis in 40 Jahren fast nur noch gezüchtete Fische im Angebot stünden, vernahmen die Teilnehmenden. Also viel versprechende Aussichten, für künftige Fischmäster.

Guido Wicki hat den elterlichen Betrieb in Flühli übernommen und führt diesen zusammen mit einem Kollegen, der Landwirt ist. «Für mich war immer klar, dass ich meinen Job als Sanitärmonteur nicht aufgeben will, so schaute ich nach für mich passenden Lösung», berichtet Wicki. Gefunden hat er sie in der Zander-Mast. Kurz nach der Fachtagung in Schüpfheim gründeten ein paar der Anwesenden eine IG, welche vom Kanton unterstützt wurde (siehe Kasten). Später entstand daraus eine Genossenschaft. Gemeinsam wurde nach einem Abnehmer gesucht und gefunden. Die Genossenschafter werden einen Grossteil ihrer Fische an Coop liefern können.



Marke Eigenbau

Guido Wicki entschied sich, den nicht mehr genutzten Schweinestall auf dem Hof Steinibach zu einer Fischmastanlage umzurüs­ten. «Die Offerte für die ganze Anlage lautete auf 300’000 Franken. Ich beschloss, alle Arbeiten selber auszuführen. So ist es viel günstiger gekommen», berichtet er. Manches Wochenende und manchen Abend hat Wicki im Schweinestall verbracht. Wenn alles rund laufe, könne er die Anlage in fünf Jahren amortisieren, sagt er.

Bevor Guido Wicki Fischhalter sein durfte, musste er einen fünftägigen Kurs und ein drei Monate dauerndes Praktikum in einem Zanderbetrieb absolvieren. Anschliessend musste er eine aufwändige Abschlussarbeit schreiben.

Ende 2017 sind die ersten zwei bis drei Monate alten Brütlinge in Flühli angekommen. Die erste Tranche musste er in Belgien beschaffen. Ab Juni wird er die Jungfische in Erstfeld beziehen können. In zirka einem Jahr werden die Zander ein Kilogramm wiegen, das heisst, sie sind schlachtreif und werden abgeholt. Alle drei Monate werden Fische geschlachtet und junge eingestallt. «Jetzt, in den ersten Monaten, bin ich sowohl morgens als auch abends in der Anlage. Später wird sich der Arbeitsaufwand bei einer Stunde pro Tag einpendeln», meint er.



Der Zander ist gefragt

Der Zander ist bezüglich Haltung ein anspruchsvoller Fisch. Wassermenge, -qualität und -temperatur sowie Sauerstoffzufuhr und Futterabgabe müssen genau stimmen. Nebst den sieben Becken, in welchen bei Vollbetrieb dereinst 9000 Zander schwimmen werden, braucht es Futterautomaten, Wasserzufluss- und Abflussrohre, eine Wasserreinigungsanlage und Apparate für die Sauerstofferzeugung und -zufuhr. Kurz: die Anlage erfordert komplexe technische Geräte. Bei jeder Abweichung der Normwerte sendet das Steuergerät einen Alarm auf das Handy. Ersatz-Sauerstoffflaschen stehen im Nebenraum bereit, und auch ein Notstrom-Generator darf nicht fehlen. «Bis jetzt musste ich aber erst einmal wegen eines Alarms die Arbeit unterbrechen und in die Anlage gehen», sagt Wicki. Es gibt auch weniger anspruchsvolle Fische; weshalb hat sich Guido Wicki ausgerechnet für den Zander entschieden? «Er ist ein Premiumprodukt und er ist bei den Konsumenten gefragt», lautet seine Antwort. Die Genossenschaft Regiofisch Zentralschweiz habe sich entschieden, in der ersten Phase Zander und japanischen Kirschlachs zu produzieren. Später kämen vielleicht weitere Arten dazu, sagt Guido Wicki, der auch als Geschäftsführer der Genossenschaft amtet.

Fischproduktion: Ein Projekt zur regionalen Entwicklung
Fische gelten nach Gesetz nicht als Nutztiere, sondern als Wildtiere. Somit ist deren Haltung in der Landwirtschaftszone sowohl nach dem Raumplanungs- als auch nach dem Tierseuchen- und Tierschutzgesetz nicht vorgesehen. Trotzdem ist es für Bäuerinnen und Bauern möglich, als «Nebenbetrieb ohne engen sachlichen Bezug zur Landwirtschaft», wie es im Fachjargon heisst, Fische zu halten. «Dieser bodenunabhängige Nebenbetrieb darf lediglich  ein ergänzender Zweig im Gesamtlandwirtschaftsbetrieb darstellen», erläutert Martin Reber, Berater am Inforama Emmental. «Zudem müssen die Fischhalter eine fachspezifische berufsunabhängige Ausbildung für Aquakultur sowie ein dreimonatiges Praktikum absolvieren», nennt er die Grundbedingungen. Die Anlage muss in einem bestehenden Gebäude eingerichtet werden. In den meisten Kantonen (auch Bern) läuft das Bewilligungsverfahren über eine Ausnahmebewilligung, weil eine solche Anlage nicht zonenkonform ist. In einem Betriebskonzept muss der Gesuchsteller nachweisen, dass der Nebenbetrieb für die Existenzsicherung notwendig ist.  Martin Reber weist interessierte Fischhalter zudem darauf hin, dass vor dem Bau einer Anlage unbedingt die Absatzmöglichkeiten abzuklären seien. 

Durch Kanton und Bund gefördert Im Kanton Luzern wird die Fischproduktion auf Landwirtschaftsbetrieben in einem Projekt zur regionalen Entwicklung (PRE) und durch das Bundesamt für Landwirtschaft unterstützt. Dort kann die Bewilligung über die so genannte Innere Aufstockung bewilligt werden, wie dies auch für Anlagen zur Haltung von Schweinen, Mastkälbern, Geflügel und Kaninchen der Fall ist. Dadurch müssen Landwirte nicht nachweisen, dass die Einkünfte des Nebenbetriebs zur Existenzsicherung notwendig sind.

Pionierarbeit geleistet Pius Hofstetter ist als ehemaliger Berater im Berufsbildungszentrum Natur und Ernährung (BBZN) in Schüpfheim Mitinitiant und Begleiter des PRE-Projektes. Er zeigt sich erfreut über das einfachere Bewilligungsverfahren im Kanton Luzern. Bis Guido Wicki seine Zander einstallen konnte, habe es mit fünf Jahren zwar sehr lange gedauert, räumt er ein. «Aber die Anlage war eines der ersten Projekte unserer Genossenschaft Regiofisch Zentralschweiz. In Zusammenarbeit mit den Behörden wollten wir eine solide Grundlage für die Weiterentwicklung der Fischzucht erarbeiten. Dies erforderte akribische und zeitaufwändige Vorarbeiten», so Hofstetter. Zukünftige Anlagen könnten nun von dieser Arbeit profitieren und schneller mit der Produktion starten. 

Bald solls einfacher werden  Auf Bundesebene sind Bestrebungen im Gange, dass die Fischhaltung auf Bauernhöfen nicht mehr durch die fehlende Zonenkonformität erschwert wird. Dass dies in naher Zukunft Realität wird, wünschen sich sowohl Pius Hofstetter als auch Martin Reber – und mit ihnen wohl einige Bauernfamilien, die in ihren leerstehenden Ställen Fische mästen möchten. 

05.04.2018 :: Jakob Hofstetter (jhk)