Nach dem Aufwärmen folgen Technikübungen.
Unihockey: David Berger aus Konolfingen leitete im Oktober Unihockey-Trainings in Armenien. Zurück kam er mit einem veränderten Blick auf sein Leben.
Seit 2005 bringt der Verein Unihockey für Strassenkinder (Floorball4all) den Ballsport in Länder, in denen Kinder und Jugendliche unter teils schwierigen Bedingungen aufwachsen - von Brasilien über Nepal bis Armenien. Das Ziel ist, vor Ort Trainerinnen und Trainer auszubilden und die Projektverantwortung an sie zu übertragen. Einer, der sich für einen solchen Einsatz entschieden hat, ist der 47-jährige David Berger aus Konolfingen.
Freiwilligenarbeit der anderen Art
«Unsere Leute von ‹Floorball4all› waren in jener Nacht im Oktober die einzigen Passagiere aus der Schweiz, die in Armeniens Hauptstadt Yerevan landeten», erzählt David Berger. Es war der Beginn eines Abenteuers, das ihn prägen sollte. Eigentlich sei sein Leben klar strukturiert, wie er betont: Er arbeitet im Kader als Bid Manager einer Telekommunikationsfirma, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter. «Ich hatte schon lange mit dem Gedanken gespielt, einen Einsatz zu leisten und etwas Gutes zu tun.» Während viele Menschen sich in klassischer, wertvoller Freiwilligenarbeit engagieren, wählte Berger den unkonventionellen Weg: Sport in einem fernen Land, von dem die meisten Schweizer wenig wissen. «Floorball4all» kannte er durch einen ehemaligen Schulkollegen. «Da ich selber gerne Unihockey spiele, erschien mir das als sehr interessantes Projekt.» Seine Familie unterstützte ihn von Anfang an. Für seinen ersten solchen Einsatz habe er sehr gerne die letzten Ferientage des Jahres eingesetzt.
Zwischen Bentley und Sowjet-Fahrzeugen
Er habe ein armes Land erwartet, sagt Berger. «Dann sah ich neben uralten sowjetischen Fahrzeugen viele Luxusautos wie Mercedes Benz, Bentley.» Die Schere zwischen Arm und Reich werde im Strassenbild deutlich. «Armenien reizte mich genau deshalb, weil mir das Land fremd war. Und der Hausberg, der Ararat, ist von der Stadt aus sehr eindrücklich zu sehen.» Die überwiegende Armut war unübersehbar. «Viele Teilnehmende trugen nur Freizeitschuhe. Auch bei der Sportkleidung zeigte sich, dass die meisten aus bescheidenen Verhältnissen kommen», erzählt Berger. Dass alle ein Handy hatten, habe ihn wiederum überrascht. Bei den Gesprächen seien die Jugendlichen häufig zurückhaltend gewesen. Sie hätten aber versucht, englisch zu sprechen. Ansonsten habe ein lokaler Dolmetscher vom Englischen ins Armenische übersetzt. «Beim Spielen spürte ich eine grosse Begeisterung der Teilnehmenden, von denen die meisten noch zur Schule gehen.» Einige seien sogar aus Nachbarstädten angereist.
Trainings auf dem unebenen Holzboden
Doch wie sah ein Trainingstag aus? «Der Start verzögerte sich meistens etwas. Die Teilnehmenden trudelten nach und nach in der Halle mit dem unebenen Holzboden ein», erzählt er. Das Aufwärmen habe spielerisch begonnen, die Sprachbarriere sei teilweise mit Händen und Füssen überbrückt worden. «Dann folgten Technikübungen wie Ballführung, Passgenauigkeit und Schusstechnik», erzählt Berger. Am Nachmittag sei dann ein Match gespielt worden - und genau da habe sich die pure Begeisterung gezeigt. «Einige konnten es kaum erwarten, bis wir mit dem Match begannen. Die Freude der Leute zu sehen, war sehr eindrücklich.» Das gesamte Material brachte das Team aus der Schweiz mit und schenkte es den Teilnehmenden.
Glücklich mit weniger
David Berger beobachtet einen Kontrast, der ihn nachdenklich stimmt: «Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen dort haben viel weniger und sind trotzdem glücklich. Der Familienzusammenhalt ist stark verankert.» Das habe er auch ausserhalb der Trainings erlebt. Gleichzeitig könne er schlecht abschätzen, welche langfristige Wirkung der Einsatz haben werde. Vieles hänge vom lokalen Koordinationsteam und den Teilnehmenden ab. Sie seien es, die dranbleiben müssten. «Der Verein bleibt jedenfalls von der Schweiz aus in Kontakt mit den Trainerinnen und Trainern.» Meist führe «Floorball4all» wiederholt in derselben Region eines Landes Kurse durch. Er sei nachdenklich nach Hause zurückgekehrt, sagt Berger. «Mir ist bewusst geworden, wie sehr wir im Überfluss leben.» Er nehme sich vor, einiges mitzunehmen; mit weniger zufrieden zu sein, gelassener zu sein und die eigenen Ansprüche zurückzustecken. Diese Haltung will er auch beruflich leben. «Ich bin oft zu stark fokussiert, zu ehrgeizig. Ich habe gesehen, dass auch arme Menschen glücklich sein können. Materialismus ist nicht alles.» Würde er wieder einen ähnlichen Einsatz machen? «Ja sicher. Und wer es sich ebenfalls vorstellen kann, soll nicht lange überlegen und seine eigenen Erfahrungen sammeln.»