Noch bis Ende Jahr im Amt - Gemeinderat Niklaus Müller / Bild: Daniel Schweizer (sdl)
Langnau: Niklaus Müller, langjähriger Gemeinderat, bricht auf in ein neues Leben. Ab dem nächsten Sommer lebt er allein, mit wenigen Tieren, auf einer abgelegenen Alp im Centovalli.
«Ein grosser Teil meines Lebens war von der politischen Arbeit mitgeprägt», erzählt Niklaus Müller, der noch bis Ende Jahr Gemeinderat in Langnau ist. Aus dieser Zeit - zwölf Jahre im Grossen Gemeinderat, später acht Jahre im kleinen Gemeinderat - sei ihm das Jahr als Präsident des Parlaments besonders in Erinnerung geblieben. Die Rolle als «Tätschmeister» und Moderator habe ihm sehr behagt. Aus seiner Zeit in der Exekutive nerve ihn hingegen noch heute das Scheitern der Fussgängerüberführung bei der Zürchermatte. «Für mich war aber immer klar», meint Müller, «dass ich mich nach zwei Legislaturen in der Exekutive aus der aktiven Politik verabschiede.» Auch beruflich hat er abgeschlossen. Diesen Sommer ging der Sekundarlehrer in Frühpension. Nun kommt der nächste grosse Schritt. Nicht weg aus Langnau, aber hin ins Tessin, wie er sich ausdrückt.
In die Abgeschiedenheit
Jetzt also - ciao Langnau! Während eines Auffahrtswochenendes im Centovalli sei er in Begleitung seiner Partnerin fast wortwörtlich über zwei Ruinen gestolpert. Hier habe er eine Möglichkeit gesehen, um einen Beitrag für eine intakte Umwelt und gegen den Klimawandel zu leisten - die Beschränkung auf das Allernotwendigste. Sie hätten zugegriffen und die beiden Rustici erworben. Zwei kleine, baufällige Gebäude. Vier Zimmer in zwei Häusern. Ein Stall ohne Dach. Die Toilette ausserhalb des Hauses. Alles an steilster Lage, von Wald umgeben, auf 1000 Metern Höhe. In einem kleinen Weiler mit zwei weiteren Rustici - nur selten bewohnt - und zwei Ställen. Der Zugang ist ein Forstweg, danach eine halbe Stunde zu Fuss. Schrittweise hätten sie mit der Sanierung der beiden denkmalgeschützten Wohnbauten begonnen. Während sie die anspruchsvollen Arbeiten, etwa eine neue Abdeckung der Dächer mit Granitplatten, von ortsansässigen Fachleuten durchführen liessen, habe er als Handlanger gedient. «So sparten wir Geld und ich war als Bauführer stets vor Ort.» Vor einigen Jahren habe er einen Versuchsballon gestartet. «Ich war während einer beruflichen Auszeit drei Monate mehrheitlich allein auf der Alp, in Begleitung von drei Geissen, zwei Hühnern und mit der Frage: ‹Halte ich das überhaupt aus?›»
Eine kleine Rückversicherung
Danach sei der Entscheid gefallen. Nächsten Sommer löse er seine Wohnung auf. Eine kleine Rückversicherung allerdings habe er. Ein Zimmer, hier in Langnau. «Denn ob ich es tatsächlich das ganze Jahr in dieser Abgeschiedenheit aushalte, weiss ich nicht. Im Winter kein fliessend Wasser, Kochen und Heizen mit Holz. Abwarten.» Denn seine Partnerin sei nach wie vor berufstätig und bleibe noch in Langnau. Nein, langweilig werde es ihm wohl kaum. Mit dem Anbau von Gemüse, der Bewirtschaftung des Landes und des Waldes, der Betreuung der Tiere - es sollen noch zwei Esel hinzukommen - sei sein Tag bereits ziemlich strukturiert. Und die Mussezeit wolle er nutzen, um Ordnung in seine Alltagsnotizen aus den letzten 40 Jahren zu bringen.
Gern allein
Er habe mit zunehmendem Alter gespürt, gern allein zu sein. «Ich freue mich auf den Rückzug zu mir selbst.» Am Morgen, nach dem Einfeuern, einfach dazusitzen und zu warten, bis das Kaffeewasser siedet. Ruhen und geniessen.
Zwar werde er Langnau mit seinem breiten kulturellen Angebot vermissen, räumt Müller ein. Fehlen würden ihm sicher auch die spontanen Gespräche bei Begegnungen im Dorf. Im Tessin dürfte sich der Austausch auf einen kurzen Schwatz mit den spärlichen Wanderern, die am Weiler vorbeikommen, beschränken. Aber Müller ist auch Realist. «Ich muss mir nichts beweisen. Im schlimmsten Fall breche ich das Projekt ab. Für den Notfall - die Rega kann landen - mache er sich keine Sorgen. Aber eine Grundvoraussetzung, dort unten sesshaft werden zu können, seien Fitness und eine intakte Gesundheit.