Kleines Kino, grosse Filmbegeisterung

Kleines Kino, grosse Filmbegeisterung
Das Kino in der kleinen Halle der Kupferschmiede wird dank ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer ermöglicht. / Bild: Bruno Zürcher (zue)
Langnau: Trotz Kinosterben behauptet sich das Kino in der Kupferschmiede seit über 30 Jahren. Nun wurde die Kinogenossenschaft Langnau mit dem Kulturpreis ausgezeichnet.

In diesem Kino werden die Sessel jeweils per Knopfdruck von der Decke heruntergefahren. Auch die Leinwand, über die am Montag- und Dienstagabend sowie gelegentlich am Sonntag Filme laufen, lässt sich einfach aus­rollen. Ein kleiner Kiosk mit Glacé und Getränken sorgt zusätzlich für Kinoatmosphäre. Wer internationale Blockbuster sucht, wird hier jedoch nicht fündig. Auf dem handverlesenen Programm stehen eher Filme abseits des Mainstreams. Als nächstes zum Beispiel eine Dokumentation über den isländischen Frauenstreik von 1975 und die Verfilmung von Max Frischs Klassiker «Stiller». Seit 31 Jahren zeigt die Kinogenossenschaft Langnau in der Kupferschmiede Filme. Und während vielerorts Kinos schliessen, behauptet sich dieser Ort der Filmkultur unbeirrt. Dieses Engagement wird nun von der Gemeinde gewürdigt: Heute Donnerstagabend wird die Kinogenossenschaft mit dem Langnauer Kulturpreis ausgezeichnet (siehe Kasten).


Treue Fans in den Kinosesseln

«Seit jeher verzeichnen wir im Durchschnitt rund 40 bis 45 Gäste pro Vorführung», erklärt Geschäftsführerin Doris Hofer. Bei insgesamt 110 verfügbaren Plätzen sei das eine gute Auslastung. Ein Grund dafür: Die Vorstellungen sind bewusst reduziert. «Jeder Film wird nur zweimal gezeigt, in Ausnahmefällen mehrere Male. Wer einen bestimmten Film sehen möchte, muss also wirklich kommen», sagt Hofer. Die Kinogenossenschaft hat sich über die Jahre ein treues Stammpublikum aufgebaut. «Es gibt Leute, die kommen fast zu jedem Film, selbst ohne vorher ins Programm zu schauen», sagt Doris Hofer schmunzelnd. Gleichzeitig zieht das Kino aber auch regelmässig neues Publikum an: junge Menschen, Themeninteressierte und vermehrt Besucherinnen und Besucher aus anderen Gemeinden. Was ist das Geheimnis hinter der Filmauswahl? «Wir achten auf ein vielfältiges Programm», sagt Doris Hofer, «und wir wählen vor allem Filme, die uns persönlich gefallen.» Praktisch jeder Film wird im Vorfeld von ihr, ihrem Mann Robert Hofer oder einem anderen Vorstandsmitglied gesehen. «Wir gehen an viele Filmvisionierungen und beobachten auch, was andernorts läuft. Nach all den Jahren haben wir ein Gefühl dafür entwickelt, was bei unserem Pub­likum funktioniert.»


Der Weg zurück zum Kino

Diese persönliche Auswahl und das Gespür für gute Filme haben mit der grossen Filmbegeisterung des Vorstands zu tun. 1989 wurde in Langnau das Kino Elite geschlossen. Robert Hofer war damals engagiert im «Treffpunkt Film», einer Gruppe von Filmfans, die im Rahmen der kirchlichen Erwachsenenbildung 16-mm-Filme im Kirchgemeindehaus zeigte. Diese Gruppe war es auch, welche 1993 eine Petition für ein neues Kino startete. Als die Gemeinde 1994 die Kupferschmiede erwarb, um sie als Kultur­lokal zu nutzen, war der ideale Vorführort gefunden. Aus dieser Initiative entstand die Kinogenossenschaft. Heute führen sieben Vorstandsmitglieder und weitere Mitarbeitende das Kino eigenverantwortlich.


Mit Muskelkraft und Begeisterung

1994 organisierten die Hofers mit weiteren Filmbegeisterten das erste grosse Kinoevent in der Kupferschmiede: eine Filmnacht mit dem Kinderfilm «Ronja Räubertochter», schrägem Humor von Monty Python und dem Westernklassiker «Spiel mir das Lied vom Tod». «Die Kupferschmiede war damals noch nicht re­noviert, die Halle komplett schwarz», erinnert sich Robert Hofer. «Aber genau das hat den Reiz ausgemacht.» Während fast zehn Jahren fanden die Filmvorführungen dann in der Grossen Halle der Kupferschmiede statt. Jeden Montagnachmittag baute das Team - alle packen bis heute ehrenamtlich an - eine provisorische Tribüne mit Kinosesseln auf, und nach der zweiten Vorführung am Dienstag wurde alles wieder abgebaut. Die Kinosessel selbst stammten vom Berner Kino «Club». Schon Jahre bevor klar war, wo sie einmal zum Einsatz kommen würden, hatte Robert Hofer sie aus dessen Nachlass gerettet und lagerte sie in einem Keller ein. Im Jahr 2005 zügelte die Kinogenossenschaft in die kleine Halle. Die Gemeinde stattete den Raum mit den herunterfahrbaren Sesseln aus - eine Einrichtung, die es wohl nur in Langnau gibt. Diese Lösung erleichterte den Aufbau für das Kino erheblich und ermöglicht, dass der Raum und die Infrastruktur auch von anderen Veranstaltern genutzt wird.


Einfach weiter Filme zeigen

Die Digitalisierung stellte die Kinogenossenschaft vor eine neue Herausforderung. «Den benötigen Projektor hätten wir unmöglich selbst finanzieren können», sagt Doris Hofer rückblickend. Doch innert kürzester Zeit gelang es dem Team, eine beachtliche Summe durch Kleinspenden zu sammeln. Erst dadurch beteiligten sich das Bundesamt für Kultur, der Lotteriefonds und die Gemeinde Langnau an der Finanzierung - und der Schritt ins digitale Zeitalter wurde möglich. 

Und welche Pläne gibt es für die Zukunft? Eigentlich wolle man einfach weiterhin Filme zeigen. Dass auch in Zukunft Menschen ins Kino kommen werden, steht für die Filmfans ausser Frage. «Es bleibt ein Erlebnis, einen Film auf der Grossleinwand anzuschauen und ungestört einzutauchen», ist Doris Hofer überzeugt. Und vielleicht sitze sogar jemand neben einem, mit dem man sich danach austauschen könne.

Kinogenossenschaft erhält Kulturpreis 2025

Am 23. Oktober wird im Rahmen eines Festaktes in der Kupferschmiede der Kinogenossenschaft der Langnauer Kulturpreis übergeben. «Wir freuen uns sehr über diese Wertschätzung», sagt Doris Hofer, Geschäftsführerin der Kinogenossenschaft. Mit dem mit 10'000 Franken dotierten Preis, der alle zwei Jahre vergeben wird, «ehrt die Gemeinde Personen, Gruppen, Vereine oder Institutionen, die sich um das lokale Kulturleben verdient gemacht haben und mit ihrem Engagement das kulturelle Angebot bereichern».

23.10.2025 :: Regine Gerber (reg)