Nicht selten ergaunern Täterinnen und Täter mehrere tausend oder gar zehntausend Franken. / Bild: Shutterstock
Emmental/Entlebuch: Fälle von Geldbetrug nehmen zu, auch in unserer Region. Warum nur funktionieren Enkeltrick, Schockanrufe & Co. immer wieder aufs Neue?
«Wir stellen seit Sommer fest, dass die Betrugsversuche, welche wir bei uns am Schalter in Langnau erleben, massiv zunehmen», sagt Stefan Stalder, Geschäftsstellenleiter bei der Valiant Bank in Langnau. Er nennt einige Beispiele.
Eine Kundin wollte Geld beziehen und es in Bern der Polizei übergeben. Diese habe sich bei ihr telefonisch gemeldet, weil bei einem anscheinenden Kauf eines Fernsehers in einem Geschäft etwas falsch gelaufen sei. Ein anderer Kunde wollte seiner Internetbekanntschaft in Südafrika Geld überweisen. Ihr sei die Kreditkarte gestohlen worden und sie sitze nun im Hotel fest. Ein weiterer Kunde investierte in eine Geldanlage, welche pro Woche zwei Prozent Zins garantiert. Obwohl der Empfänger des Geldes auf der schwarzen Liste der Bank stand, liess sich der Kunde nicht von der Überweisung abbringen.
Die Kundschaft ansprechen
Jeanette Leuenberger ist als Kundenberaterin bei der Valiant Bank Langnau direkt mit solchen Situationen konfrontiert. Sie habe inzwischen einiges an Erfahrungen gesammelt und werde aufmerksam, wenn sich Kundinnen oder Kunden anders verhal-ten als normal. «Sie wirken nervös, schauen um sich und sind gestresst», erzählt sie. Wenn sie einen hohen Betrag, meist mehrere tausend Franken, von ihrem Konto abheben wollen, prüft Leuenberger rasch, ob dies öfter geschieht. Wenn nicht, fragt sie nach dem Verwendungszweck. «Das ist heikel», weiss die Kundenberaterin, «und man darf nicht Angst haben vor einer harschen Antwort.» Auch bei einer unüblichen Überweisung in ein weit entferntes Land wird Jeanette Leuenberger hellhörig. «Habe ich einen Verdacht, wechsle ich mit der Person ins Sitzungszimmer.» Behutsam versuche sie, mehr herauszufinden. Sie frage etwa, ob jemand angerufen habe oder ob die Polizei involviert sei. Und sie mache auf die Betrügereien aufmerksam. «Gerade bei vorgetäuschten Liebschaften ist es oft sehr schwierig, die Betroffenen von ihrem Vorhaben abzubringen. Dann probiere ich darauf hinzuwirken, dass wenigstens der Geldbetrag reduziert wird.» Manche Kundinnen oder Kunden könne sie überzeugen, andere nicht. Mehr als aufklären und warnen dürften sie als Bank nicht, sagt Stefan Stalder. «Wenn eine Person die Vollmacht über ihr Konto hat, müssen wir den Geldbetrag aushändigen respektive überweisen.»
Vertrauen, Gefühle, Forderung, Druck
Auch die Polizei warnt regelmässig vor Geldbetrug. So sandte beispielsweise die Luzerner Polizei letzte Woche eine «dringende Warnung vor Telefonbetrügern, die sich als Polizisten ausgeben» (siehe letzte Seite). Fragt sich, weshalb immer wieder Leute darauf hereinfallen, obwohl praktisch täglich gewarnt und informiert wird. Was sind die Tricks der Betrüger? «Die Maschen unterscheiden und verändern sich, das Muster aber bleibt immer gleich», erklärt Beat Trösch, Fachverantwortlicher Allgemeinprävention bei der Kantonspolizei Bern. Er teilt das Vorgehen der Täterschaft in vier Blöcke ein. «Zuerst wird Vertrauen aufgebaut indem sich die Betrüger als Staatsanwaltschaft, Bank, Polizei oder Familienmitglied ausgeben.» Als nächstes kämen Gefühle und Versprechen ins Spiel, führt Trösch aus. Es wird ein schockierendes Ereignis wie ein schwerer Unfall oder eine Notlage geschildert. Oder ein grosser Gewinn, eine hohe Rendite, die grosse Liebe werden in Aussicht gestellt. Im Anschluss daran gehe es langsam ans Eingemachte. «Die Betrüger fordern zum Handeln auf. Das Opfer soll Geld abheben, Zugangsdaten zu Bankkonten bekanntgeben oder den Fernzugriff zum Computer ermöglichen», nennt der Präventionsspezialist Beispiele. Zum Schluss dann werde Druck aufgesetzt und negative Konsequenzen angedroht. Das Geld muss sofort überwiesen werden, sonst kommt die Tochter ins Gefängnis oder der Enkel kann nicht operiert werden. «Im Lauf des Gesprächs geben die Opfer immer mehr persönliche Angaben preis, die ins Gespräch eingebaut werden, beispielsweise der Name des Enkels. So erscheint der Fall immer plausibler.»
Es kann alle treffen
Treffen könne es jeden und jede, betont Beat Trösch und nimmt sich selbst nicht aus. Ein falscher Moment, eine Unaufmerksamkeit, und schon sei es geschehen. Fast alle Opfer, die sich bei der Polizei melden, hätten von den Betrugs-Maschen gewusst. Und trotzdem seien sie hereingefallen. Die Vorstellung, dass vor allem ältere Personen gefährdet seien, stimme schon längst nicht mehr. Gerade mit Anlage- und Kleinanzeigen-Betrug, betrügerischen E-Mails und Webseiten oder vorgetäuschten Liebschaften zielten die Kriminellen auch auf jüngere Leute. Mit den neuen Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz werde es für die Bürgerinnen und Bürger künftig noch schwieriger, echt von falsch zu unterscheiden. Je perfider die Betrugsmasche, desto wichtiger sei es, darüber zu sprechen, sagt Trösch. Er empfehle auch eine Anzeige. «Damit haben viele Opfern Mühe, denn die Scham wiegt oft noch schwerer als der Ärger über den finanziellen Verlust.» Trotzdem sei es wichtig, um vielleicht zur Aufklärung eines Falls beizutragen oder andere vor einem Betrug zu bewahren.