Im Aufenthaltsraum statt in der Praxis: Die Dentalhygienikerin führt bei einem Patienten die Zahnreinigung durch. / Bild: Regine Gerber (reg)
Trubschachen: Eine mobile Dentalhygienikerin behandelt Menschen, für die ein Besuch in einer Praxis zu umständlich wäre – und sorgt so für gesunde Zähne und mehr Wohlbefinden.
Es ist 7.30 Uhr morgens, als Corinne Zaugg mit ihrem weissen Auto vor dem Alters- und Pflegeheim Dändlikerhaus in Ranflüh parkiert. Das Logo ihrer Firma «MvO – Mundgesundheit vor Ort» ziert den Wagen – passenderweise ein Zahn. Die Dentalhygienikerin lädt ihre Ausrüstung aus: Zwei sogenannte mobile Einheiten, sie sehen aus wie schmale Rollkoffer. «Die Einheiten beinhalten alles, was ich für eine Behandlung brauche», erklärt Zaugg, «vom Speichelsauger über ein Politur-Winkelstück bis hin zum elektrischen Zahnsteinentferner.» Auch dabei: diverse Schubladen für Instrumente sowie Hygiene- und Verbrauchsmaterial.
Corinne Zauggs Patientinnen und Patienten sind Menschen, die nicht mehr regelmässig in die Dentalhygiene- oder Zahnarztpraxis gehen können. Dies nicht aus Nachlässigkeit, wie Zaugg betont, sondern, weil es für sie mit zu grossem organisatorischem Aufwand, körperlicher oder psychischer Anstrengung verbunden wäre. «Für diese Menschen ist mein Angebot eine grosse Erleichterung.»
Eine lose Zahnprothese
An diesem Morgen behandelt Corinne Zaugg vier Heimbewohnende, unter anderem einen 78-jährigen Mann. Der Patient kommt in den improvisierten Behandlungsraum, den sich die Dentalhygienikerin in einem Aufenthaltszimmer eingerichtet hat. Corinne Zaugg hilft ihm auf den Liegestuhl, der als Behandlungsliege dient. Sie plaudern über das Wetter, die Aussicht und das Essen. «Es ist mir wichtig, für die Behandlungen genügend Zeit einzuplanen», erklärt Zaugg. Der zwischenmenschliche Aspekt sei ein wichtiger Faktor.
Seit einiger Zeit wird der Heimbewohner regelmässig behandelt. Heute stellt Zaugg fest, dass die Zahnprothese nicht mehr richtig sitzt. «Können Sie noch gut kauen?», fragt sie erstaunt. Sie entfernt die Prothese, um sie zu reinigen. Danach kontrolliert sie die Mundschleimhäute, nimmt Befunde zum Zustand des Zahnfleisches und der Zähne auf und führt die Zahnreinigung durch. «Das sieht sehr gut aus», sagt sie zum Patienten.
Wichtige Mundgesundheit
Die 42-jährige Dentalhygienikerin fährt seit rund fünf Jahren mit ihrer mobilen Praxis durch die Region und ist auch in der Stadt Bern tätig. Sie begann das Angebot aufzubauen, als sie noch in einer Zahnarztpraxis angestellt war. Seit einem Jahr ist Corinne Zaugg selbstständig tätig. Nebst dem mobilen Dienst führt sie eine Dentalhygienepraxis in Trubschachen. Unterdessen konnte sie eine weitere Dentalhygienikerin anstellen. Corinne Zaugg besucht mehrere Alters- und Pflegeheime sowie Demenzheime regelmässig. Zusätzlich geht sie zu Patientinnen und Patienten nach Hause. «Es sind nicht nur alte Leute, sondern auch solche, die wegen Krankheiten ihre Wohnung nicht mehr oft verlassen», erzählt sie. Aktuell behandle sie beispielsweise mehrere junge Personen, die am Fatigue-Syndrom (chronische Erschöpfung) leiden.
Corinne Zaugg, die auch im Berufsverband und als Referentin zum Thema engagiert ist, ist die einzige mobile Dentalhygienikerin in der Region der «Wochen-Zeitung». Ihr Angebot decke eine Versorgungslücke, ist sie überzeugt. «Für Pflegebedürftige, Menschen mit Beeinträchtigungen oder eingeschränkter Mobilität ist regelmässige Zahnpflege oft ein ungelöstes Problem.» Dabei sei belegt: Schlechte Mundhygiene erhöht das Risiko für Diabetes, Herzerkrankungen, Arthritis oder Lungenentzündungen. Trotzdem ist Dentalhygiene in Alters- und Pflegeheimen noch keineswegs Standard – anders als etwa die Besuche von Podologinnen oder Coiffeuren, die in nahezu allen Heimen üblich sind.
Entlastung – auch für Angehörige
Dabei geht es um weit mehr als um saubere Zähne: Viele Patienten würden sich nach der Behandlung woh-ler fühlen, erzählt Corinne Zaugg.
Für Angehörige sei es entlastend zu wissen, dass die Zahn- und Mundpflege nicht zu kurz komme. Und auch das Pflegepersonal sei froh um Tipps und Tricks in Bezug auf die Mundgesundheit der Bewohnenden.
Und manchmal sind es die kleinen Dinge, die entscheidend sind: Beim 78-jährigen Patienten, den Corinne Zaugg heute behandelt, konnte sie die Zahnprothese wieder besser fixieren. «Jetzt können Sie wieder gut essen», sagt sie zu ihm, «gleich gibt es Mittagessen.» Der Mann nickt und strahlt.