Die Kunst der Baumgestaltung

Die Kunst der Baumgestaltung
Stämmige Bäumchen: Muschelzypresse (links), Schlehe (oben) und Kiefer (unten). Sie alle hat Hans- peter Gerber gestaltet. / Bild: Max Sterchi (mss)
Bäumig» (2/4): Seit über 20 Jahren gestaltet Hanspeter Gerber Bäume in Miniaturform. Bonsai ist eine kreative und meditative Art, ein Kunstwerk zu schaffen.

Wo sich der 63-jährige Hanspeter Gerber auch aufhält, immer ist er von Holz um­geben. In seinem Beruf als Schreiner, zu Hause in seinem über 350-jährigen Bauernhaus oder bei seinem Hobby, der Gestaltung von Bäumen in Miniaturgrösse. «Bäume haben mich immer interessiert und darum habe ich begonnen, Bäume zu sammeln. Weshalb, kann ich eigentlich nicht erklären», sagt Hanspeter Gerber. Durch einen Arbeitskollegen habe er vor über 20 Jahren von einem Bonsaianer gehört, habe bei ihm einen Kurs besucht und seither pflege auch er dieses erfüllende Hobby. Er hat erste Erfahrungen gesammelt, weitere Kurse besucht, und sich einer Gruppe von Gleichgesinnten angeschlossen. Und bereits im Jahr 2006 hat er mit einem Freund zusammen die Bonsai Freunde Emmental gegründet, einer Untergruppe der Vereinigung Schweizer Bonsai- und Suiseki Freunde (VSBS). «In dieser Gruppe treffen wir uns seither jeden Monat, arbeiten an unseren Bäumen, tauschen uns aus und geben unsere Erfahrungen weiter», erzählt Gerber. Dabei entstehe auch der Ansporn, aus seinem Pre-Bonsai, also der Ausgangspflanze, das Beste herauszuholen und ein schönes Kunstwerk zu erschaffen. Bonsai hat sich aus der fernöstlichen Gartenkunst entwickelt und gehört zur jahrhundertalten japanischen Tradition.


Schnitt- und Gestaltungstechnik

Bonsai, so erklärt Hanspeter Gerber, bedeutet «Kunstvoll gestalteter Baum in Schale.» Die Bezeichnung beschreibt damit nicht eine spezifische Baumart, sondern die Technik, das Ebenbild eines ausgewachsenen Baumes in Miniaturform zu gestalten. Genetisch unterscheidet sich dieser Baum nicht von einer gewöhnlichen Pflanze. Darum sei auch jede Baumart dazu geeignet, zu einem Bonsai zu werden, der wie ein grosser Baum in der Natur aussieht. «Aber», sagt Gerber, «jeder Baum hat seine besondere Eigenart und braucht eine besondere Pflege. Und jeder Bonsaianer hat seine eigene Vorstellung und seine eigene Kreativität zum Gestalten seiner Bäume». Welche Baumsorte eignet sich besonders gut, um einen Bonsai zu formen? Für einen Anfänger sei beispielsweise die einheimische Hagebuche geeignet - sie sei ein schöner Laubbaum, sei widerstandsfähig, habe eine schöne Astform und kleine Blätter, so Gerber. Er selber bevorzuge einheimische Baumarten, diese seien an das hiesige Klima gewöhnt und seien einfacher zu überwintern als etwa tropische Hölzer. Gerber vergleicht die Gestaltung eines Bonsais mit der Erschaffung eines Gemäldes oder einer Skulptur. Allerdings mit dem Unterschied, dass der Baum wächst und sich verändert; er sei ein lebendiges Kunst­werk. Besonders im Frühjahr vor dem Austrieb muss der Baum allenfalls umgetopft, geschnitten und gedüngt werden. Über das Jahr sind, je nach Auswuchs, weitere Schnitte nötig. Auch müssen die Pflanzen regelmässig auf Schädlinge oder Pilze überprüft werden. Für die Baumgestaltung ist das gezielte Formen durch die Drahtung geeig-net. Diese Technik ermöglicht es, die Triebe mithilfe eines Drahtes in eine bestimmte Wachstumsrichtung zu lenken und damit die Ausformung zu verändern. Wichtig sei es, so Gerber weiter, für die Baumpflege und Baumgestaltung Spezialwerkzeug zu verwenden und nicht mit herkömmlichen Baumscheren, Zangen oder Sägen an der Pflanze zu arbeiten.


Wann ist ein Baum ein Bonsai?

Hanspeter Gerber hat im Laufe der Zeit über hundert Bonsais gezogen. Die kleinsten, die bis 15 Zentimetern messen, werden «Mame» genannt. Es folgten die «Shohin» und dann der eigentliche Bonsai, dessen Grösse bis ungefähr 80 Zentimeter reicht. Aufgrund des Umfangs seiner Bonsai-Sammlung müsste er eigentlich einige Exemplare verkaufen. Dies habe allerdings einen Haken: «Jede Pflanze hat eine eigene Geschichte und zu jeder habe ich eine persönliche Bindung. Darum fällt es mir schwer, mich von ihnen zu trennen», gesteht er. Bonsais symbolisieren gemäss der einschlägigen Literatur Harmonie, Frieden, Gleichgewicht und Geduld. Ohne dass Hanspeter Gerber dies ausdrücklich erwähnt, spürt man im Gespräch seine Faszination am natürlichen Gestalten seiner lebenden Kunstwerke und seine Begeisterung für ein nicht alltägliches Hobby.

02.10.2025 :: Max Sterchi (mss)