Christian Schmid lässt Mundartwörter Walzer tanzen

Christian Schmid lässt Mundartwörter Walzer tanzen
Sprachforscher mit Sinn für Poetik: Christian Schmid.
Zäziwil: Die Neoländler und Mundart-Erzähler Christian Schmid tauften am Sonntag ihre CD «Es nachtet». Dabei verweben sie lüpfige Melodien mit Mundarttexten.

«Eis, zwöi, drü - 1, 2, 3 - 1, 2, 3...» Im rhythmischen Walzertakt beginnt Christian Schmid den Auftritt. «Wauzer» heisst auch das Stück, in dem sich der Berner Autor als eine Art Mundart-Rapper entpuppt. Beschwingt erzählt der ehemalige «Schnabelweid»-Redaktor von Radio SRF von der mitreissenden Faszination der Rhythmen im Dreivierteltakt. Auf dem musikalischen Boden eines Jura-Walzers der Neoländler tanzen seine Texte «zwüschedüre, hingerdsi, mitenand». Unglaublich wie viele Wörter zu den Schritten und Drehungen dieses Tanzes passen und im Klangraum der Zäziwiler Kirche weiterhallen. Als fachkundiger Journalist ist Schmid bekannt geworden - hier aber fliesst seine Sprache poetisch hinein in die Melodien einer kraftvollen Volksmusik.


Trümpi, Häxeschyt und Hanottere

Lorenz Nejedly, Thomas Keller, Susanne Jaberg und Iris Keller sind die Neoländler. Die ungewöhnlichen Musiker schauen seit Jahrzehnten über die Emmentaler Hügel und Chrächen hinaus in andere Welten und Zeiten. Denn Volksmusik hat sich nie um Grenzen gekümmert. Gerade die klitzekleinen Teile ihres Instrumentariums sind unscheinbar im Hosensack oder Handgepäck über Meere gewandert und bringen seit Jahrtausenden Lebensfreude an menschliche Feste. Zum Beispiel das Brummeisen oder das Trümpi, wie die Maultrommel hierzulande heisst. Oder die Muugiige als Harmonika des kleinen Mannes. Und die Löffel, mit denen Susanne Jaberg virtuos ein ganzes Schlagzeug ersetzt. Sie spielt auch die Schwegelpfeife, eine historische Einhandflöte mit hellem Klang - mit der anderen Hand kann etwa ein Schellenring geschlagen werden. Bevor die Neoländler ansetzen, sind bereits über 20 Instrumente sichtbar: Geige, Gitarre, Bass, Langnauerli und andere Schwyzerörgeli, Häxeschyt, Drehleier und ein halbes Dutzend Halszithern. Denn die hierzulande einst populäre Hanottere braucht für jede Tonart eine eigene Stimmung. Die Neoländler holten sich schon vor Jahren ihre Inspiration etwa bei Älplern und Örgelern im Muotatal. Oder sie merkten sich Melodien von nah und fern an Hochzeiten, in Beizen und Stubeten. Ihre Tänze, Lieder, Jutze und Rufe versprühen pure Freude. Und kommen die beiden Geigen fiddelnd in Schuss, bleibt kein Tanzbein ruhig.


Töne wachsen aus der Stille

Wenn Iris Keller singt, schwingen Rufe und Jodel aus hiesigen Alpentälern ebenso mit wie eindringliche Joiks aus Nordeuropa. Die ausgebildete Sängerin und Multiinstrumentalistin intoniert manche Lieder mit einem fast zärtlichen Timbre. Diese Musik wächst in der Ruhe, auch wenn sie temperamentvoll aus sich herausgehen kann. «Es sind Töne, die in die Stille fallen», beschreibt dies Christian Schmid. Daraus sind Stücke für die neue CD entstanden, eine eigentliche Tetralogie der Stille. Erspürt in den Momenten, wo es tagt - oder wo es nachtet, wie der CD-Titel verspricht. Dabei verbinden sich Musik und Text zu einem berührenden Erlebnis voller Musikwitz und Gedanken-Charme. Philosophisch schmunzelt sich Christian Schmid durch die Saitensprünge und Klangteppiche. Seine Freude an Wortspielen und Redewendungen stimmt auch die gut 30 Gäste in der Zäziwiler Kirche mal fröhlich und ausgelassen, mal sentimental oder melancholisch.

18.09.2025 :: Karl Johannes Rechsteiner (kjr)