Mit ihm wird Geschichte lebendig

Mit ihm wird Geschichte lebendig
Der Oberdiessbacher Dorfchronist Peter Vogel in seiner Studierstube. / Bild: zvg
Oberdiessbach: Der Dorfchronist Peter Vogel beobachtet, sammelt, dokumentiert und berichtet seit Jahrzehnten von der Geschichte seines Dorfes. Und erzählt dabei von Ballonfahrer Spelterini und dem Nagelschmied mit seiner goldenen Kette. Am Freitag wurde er gewürdigt.

Eigentlich besuche er nicht mehr gerne Veranstaltungen – das Alter… 

So reagierte Peter Vogel auf die Einladung für den Abend zur Würdigung seiner Person. Doch diese Veranstaltung wollte er sich dann doch nicht entgehen lassen. Zusammen mit seiner Frau Margrit Vogel-Wiedmer setzte er sich in die dritte Reihe und staunte nicht schlecht, dass sich der Gewölbekeller des Buumehuses nach und nach bis nahezu auf den letzten Platz füllte – mit Weggefährten, Freundinnen, Bekannten und Interessierten. Schon zur Jahrtausendwende hätten Vogels Vorträge den Saal der Sekundarschule gefüllt, erinnerte sich Karl Johannes Rechsteiner vom Buumehus. Zuerst habe er ihn damals als Historiker ­bezeichnen wollen. Doch dies habe Peter Vogel abgelehnt, er habe das nicht studiert und keinen Abschluss. Er sei Dorfchronist.


Drei Generationen Vogel

Der ehemalige Lehrer Felix Gysel hatte die Idee für den Abend, welche Hanspeter Schmutz und Karl Johannes Rechsteiner gerne aufgriffen und umsetzten. In einer gut einstündigen Präsentation liessen die beiden die Schaffenskraft des Gefeierten und seiner Vorfahren Revue passieren. Der 1939 geborene Peter Vogel reihte sich mit Akribie in die Liebe zur Oberdiessbacher Geschichte seiner Vorfahren ein. Sein Gross- und Patenonkel Hermann Vogel war Lehrer in Wichtrach und verfasste 1905 ein Buch als «Beitrag zur Heimatkunde» über Oberdiessbach. Er recherchierte genau und versuchte stets Quellenangaben zu den Aufzeichnungen zu liefern.

Peter Vogels Vater setzte diese Tradition fort. Er publizierte 1960 «Die Geschichte eines Dorfes». Niklaus Vogel sei Bäckermeister gewesen, erklärte Hanspeter Schmutz. Doch sein erzählerisches Talent und die Passion für Geologie seien bemerkenswert gewesen. Zum Beweis las Schmutz aus dem Vorwort des besagten Buches: «In Rom hat jeder Stein seine Geschichte. So sagen es die Historiker. Das Gleiche möchten wir von Oberdiessbach nicht behaupten. Aber auf einem Gang durchs Dorf sehen wir bald, dass die Ortschaft Baudenkmäler birgt, welche in längst vergangenen Zeiten zurückweisen. Jahrzahlen am alten und am neuen Schloss, an der Kirche, am Pfarrhaus, an Brücken und Brunnentrögen, eingehauene Wappen, enge Gässchen und breite Autostrassen, uraltes Bauernland und neue Quartiere, Kleinwerkstätten und Industriebauten, Wohngebäude und Geschäftshäuser und zwischenhinein ein letztes verschupftes Scheuerlein reden eine bildreiche Sprache zu uns! Wie ist das eigentlich alles entstanden?» Allein die ersten Zeilen des Vaters zeugen von der genialen Wahrnehmungsgabe, die sicherlich auf den Sohn Peter Vogel übergesprungen ist.


Ein einzigartiges Archiv

Als Dorfchronist in dritter Generation tauchte Peter Vogel in den letzten Jahrzehnten noch tiefer in die Geschichte des Dorfes ein, denn er hegte immer eine Leidenschaft für persönliche Geschichten. Sein Foto­archiv ist von hohem Wert, sein Wissen über all die abgebildeten Personen immens, denn er kennt Werdegänge, Schicksale und Verwandtschaften. Dass er die Reihe seiner Vorfahren fortführen würde, sei nicht geplant gewesen, erzählte Vogel einmal. «Aber eines Tages hatte ich das Gefühl, jemand sollte damit weiterfahren.» Er wollte, dass der Wert der früheren Aufzeichnungen bestehen bleibe und sich nicht verlaufe. Mit Vorträgen und Publikationen gab er sein Wissen weiter, und verfasste vielfältige Schriften, etwa zur Kirche Oberdiessbach.

Dabei stechen vor allem seine Texte für den Alpenhorn-Kalender heraus. Hanspeter Schmutz stellte diese wundersamen Lokalgeschichten 2019 in einer Broschüre zusammen, die auf der Gemeindeverwaltung Oberdiessbach gratis erhältlich ist. Zwei davon griff Karl Johannes Rechsteiner auf: Er las aus Peter Vogels Bericht, wie Spelterini 1892 im Dorf gelandet war. Und er ergänzte die Story mit weiteren Details zum turbulenten Leben des Ballonfahrers, der als ausgebildeter Opernsänger beim Aufstieg seines Ballons auf dem Rand des Korbes stehend zum Beispiel die Torero-Arie aus «Carmen» von Georges Bizet intonierte.

Dann verknüpfte Rechsteiner die Geschichte der Oberdiessbacher Nagelschmitte mit der Sage von der goldenen Kette. Auch diese Legende hat Peter Vogel für die Nachwelt weitererzählt. Sie lässt sich natürlich trefflich mit den Dokumenten rund um den «Nagler Christian Segessenmann» verbinden. Denn dessen Werkstattbuch aus dem 18. Jahrhundert befindet sich im Buumehus-Archiv und wartet auf weitere Erforschung.

Zum Schluss des Abends gaben Hanspeter Schmutz und Karl Johannes Rechsteiner noch einen kleinen Ausblick in die Zukunft der Dorfgeschichte. Ihre Interessengemeinschaft Oberdiessbacher Geschichte im Rahmen von «Zäme für Oberdiessbach» soll den Kulturverein ab 2026 als Hüter des historischen Erbes rund um den einstigen Kramladen des Buumehus ablösen, während der Kulturverein seine Konzerte und andere Anlässe weiterführt.

19.06.2025 :: Christina Burghagen (cbs)