Dieses Männchen trägt noch sein Prachtkleid zur Paarungszeit. Nach der nächsten Häutung ist es braun. / Bild: Silvia Wullschläger (sws)
Schüpfheim: Aktuell werden entlang der kleinen Emme und der Bahngleise Zauneidechsen gesucht und erfasst. Dies mit dem Ziel, die Reptilien zu fördern. Sie haben es nötig.
Konzentriert blickt Paul Rogenmoser durch den Feldstecher und sucht das Unterholz entlang des Uferwegs an der kleinen Emme ab. Patricia Burri nimmt einen verwitterten Baumstrunk ins Visier. Die Sonne lässt das Moos darauf in sattem Grün erleuchten. «Das ist ein ideales Plätzchen für Zauneidechsen», erklärt sie. «Es ist warm, aber noch nicht heiss. Rundherum hat es Äste und Hecken, so dass sie sich bei Gefahr rasch verstecken können.» Doch auch durch den Feldstecher lässt sich keine Zauneidechse erspähen. Die beiden gehen weiter, den Blick auf den Uferbereich oder den Waldsaum gerichtet, in der Hoffnung, eines der scheuen Reptilien zu sichten.
Populationen vernetzen
Paul Rogenmoser und Patricia Burri arbeiten als Freiwillige beim Artenförderungsprogramm für Zauneidechsen der Unesco Biosphäre Entlebuch (UBE) mit. Bis Ende Juni müssen sie ihre zugeteilte Strecke zweimal absuchen, im August/September dann noch ein weiteres Mal. «Insgesamt sind es fünf Freiwillige, die von Schüpfheim bis Hasle entlang der kleinen Emme und der Bahngleise Zauneidechsen systematisch erfassen», erklärt Judith Stalder. Sie leitet das Projekt der UBE, wo sie im Bereich «Natur und Landschaft» tätig ist. Die Biosphäre habe die Zauneidechse schon vor einigen Jahren gefördert. Zwischen 2020 und 2022 seien rund 90 Kleinstrukturen entstanden. Damit sind zum Beispiel Büsche, Hecken, Stein- und Sandhaufen oder Baumstrünke gemeint. Das Programm werde nun weitergeführt. «Um die Art entlang der kleinen Emme und der Bahnlinie gezielt fördern zu können, müssen wir zuerst wissen, wo es Vorkommen gibt.» Die Vernetzung der Populationen sei wichtig, denn Zauneidechsen bewegten sich im Schnitt nur 30 Meter um ihren Schlupfort herum. Wenn sie in dieser Entfernung keinen geeigneten Lebensraum finden würden, könnten sie sich nicht ausbreiten, führt Judith Stalder aus. Es komme zu Inzucht, was mit der Zeit zum Verschwinden der Population führe.
Lauernde Gefahren
Paul Rogenmoser und Patricia Burri engagieren sich gerne, damit sich die Zauneidechse weiter verbreiten kann. «Die Art ist stark vom Aussterben bedroht», weiss Rogenmoser. «Der Verlust der Lebensräume, insbesondere durch intensive Landwirtschaft und Bebauung, stellt die grösste Gefahr dar.» Man vermute auch, ergänzt Burri, dass die Mauereidechse, eine südliche Art, die Zauneidechse verdränge. Definitiv ein Problem seien die Katzen. «Weil die Zauneidechse weniger flink ist als die Mauereidechse, ist sie da stärker gefährdet.» Patricia Burri und Paul Rogenmoser kennen sich aus. Die beiden sind Mitglieder des Vereins Natur-Netz Schüpfheim und Hobby-Ornithologen. Deshalb sind sie sich auch gewohnt, geduldig nach Tieren Ausschau zu halten. Es ist an diesem Morgen Patricia Burri, die eine Zauneidechse beim «Sünnele» entdeckt. Erkennungsmerkmal sind die Augenflecken an den Flanken. Auch Paul Rogenmoser landete bei der letzten Begehung zwei Treffer. «Eigentlich ist es erstaunlich, dass wir bis jetzt nicht mehr gefunden haben, denn der Lebensraum hier ist nicht so schlecht.»
Schulen einbeziehen
Auch Judith Stalder ist überzeugt, dass es sich lohnt, in diesem Uferbereich genauer hinzuschauen. «Es hat hier nicht nur Kleinstrukturen, sondern auch Altgrasstreifen, wo Insekten leben - die Nahrung der Zauneidechsen.» Wenn die Bestandesaufnahme beendet ist, werden in Absprache mit den Landwirten und der SBB geeignete Standorte ausgewählt. Bis 2028 sollen dort dann Kleinstrukturen angelegt werden. «Dabei werden wir auch die Schulen miteinbeziehen», erklärt Stalder. Einerseits bei der praktischen Arbeit, andererseits soll ein neues Lehrmittel zum Thema Kleinstrukturen erarbeitet werden. «Solche sind nicht nur für die Zauneidechse wichtig, sondern auch für viele anderen Tierarten.»