Die Funken beim Schweissen faszinieren ihn

Die Funken beim Schweissen faszinieren ihn
«Ich lebe mit Alteisen», sagt Lui Husistein. Sein Material bewahrt er ordentlich sortiert in der Werkstatt auf. / Bild: zvg
Schüpfheim: Der Zufall brachte Lui Husistein einst zum Schweissen. Seit 30 Jahren kreiert er nun aus altem Eisen neue Figuren. Dieses Wochenende beginnt seine 70. Ausstellung.

«Ein Künstler bin ich eigentlich nicht», sagt Lui Husistein, «ich schweisse einfach Alteisen zusammen.» Die Arbeit, von welcher der Mittsiebziger so bescheiden spricht, ist aber weit mehr als das. Aus Gegenständen, die niemand mehr will, und seinen grenzenlosen Ideen, sind über die Jahrzehnte hunderte von Skulpturen entstanden. Einige davon - in unterschiedlichster Art und Grösse - sind im Weinkeller seines Hauses in Schüpfheim gelagert. Da ist ein Vogel; der Bauch aus einer Stechschaufel, Rechenzinken bilden das Gefieder. Auf einer Eisenstange thront eine Blüte, die aus alten Zahlenschlössern gefertigt ist. Es gibt Katzen und Pinguine, Waldameisen und Geissen. Viele der Werke sind Tiere, aber der Alteisenverwerter, wie er sich selbst bezeichnet, stellt zum Beispiel auch Engel, Milchkannen oder Wasserspiele her.

Direkt neben dem Weinkeller hat Lui Husistein seine Werkstatt eingerichtet. Hier befindet sich das Material, fein säuberlich sortiert in Schubladen und Kisten. «In Kiste Nummer 12 habe ich Zangen und Zahnräder», sagt er und blickt auf eine Übersichtsliste. In einer anderen Kiste finden sich etwa Schlüssel, links daneben alte Gabeln.


Kisten voller Alteisen

An Material fehlt es Lui Husistein nicht. Die Zeiten, als er noch Alteisensammlungen nach brauchbarem Schrott absuchte, sind längst vorbei. «Immer wieder stellen mir Leute Kisten voller Alteisen vors Haus oder bringen sie mir an Ausstellungen vorbei», erzählt er. Auch aus seiner Berufszeit im Grenzwachtkorps Basel hat sich etliche Ware angesammelt. Mit den Schlössern, welche in die Blüte eingearbeitet sind, seien früher Postsäcke, die über die Grenze gingen, verschlossen worden. Eine Kiste voller Stempel bekam er zur Pension geschenkt. «Ich könnte noch weitermachen, bis ich 120 Jahre alt bin, das Material ginge mir nicht aus», sagt er und fügt verschmitzt an: «Ich lebe mit Alteisen.» Macht er sich an eine neue Figur, beginnt er auszusortieren. «Meistens schaue ich einen Gegenstand an und weiss sofort, was daraus wird.» Er putzt die Teile, schleift sie und befreit sie vom Rost. «Eigentlich ist das die grösste Arbeit. Das Schweissen selbst geht schnell.» Die fertigen Skulpturen werden mit Rostumwandler eingesprüht. Manche bekommen noch etwas Farbe, so schimmert die Zahlenschlossblüte etwa in gelb-orange. Seit zwei Jahren kombiniert er das Eisen manchmal auch mit Holz.


Fasziniert vom Schweissen

Zum Schweissen kam der Schüpfheimer vor über 30 Jahren per Zufall. Er wohnte und arbeitete damals in Basel. Neben Arbeit und Familie habe er ein Hobby gesucht, «etwas nur für mich.» Als er einmal einen Kollegen in dessen Schlosserei besuchte und dieser gerade mit einer Schweissarbeit beschäftigt war, war es um Husistein geschehen. «Das Schweissen faszinierte mich vom ersten Augenblick an», erinnert er sich. «Zwei Teile, dazwischen glüht und funkt es, und dann entsteht etwas Neues», schwärmt er. Es dauerte nicht lange und er kaufte sich ein eigenes Schweissgerät, eine Bohrmaschine und einen Winkelschleifer. Bei der Arbeit hatte der Grenzwächter Zeit, sich mit seinen Ideen zu beschäftigen. «An der grünen Grenze passierte manchmal tagelang nichts», blickt er zurück. Während solch langer Tage sei ein Eichhörnchen immer wieder an ihm vorbeigehuscht. Die Figur, die er später gefertigt hat, entstand nach und nach in seinem Kopf. «Ich überlegte stundenlang, aus was ich den buschigen Schwanz machen könnte», erzählt Lui Husistein. «Eine Reinigungsbürste aus Stahl war die Lösung!» Das Eichhörnchen wurde zu seiner Lieblingsskulptur.


70 Ausstellungen in 30 Jahren

Weil Lui Husistein in Basel zu wenig Platz für sein Hobby hatte, ging er zum Schweissen immer öfter in sein Alphüttli, das er seit 1992 im obersten Fontannental gemietet hatte. Es entstand Figur um Figur und er begann Ausstellungen zu organisieren. 2009 kaufte er das Haus in Schüpfheim, wo er seit seiner Pension leben und wirken kann. In Schangnau wird nun seine siebzigste Ausstellung stattfinden. Zwar verkauft der Alteisenverwerter seine Werke, doch ums Geldverdienen ging es ihm nie. «Wenn ich den Leuten zuschaue, wie sie beim Betrachten meiner Skulpturen nach und nach einzelne Teile entdecken und sich darüber freuen, ist mein Ziel erreicht.»

12.06.2025 :: Regine Gerber (reg)