«Hausärztemangel wird sich verbessern»

«Hausärztemangel wird sich verbessern»
Mehr junge Ärztinnen und Ärzte wollen wieder in der Hausarztmedizin tätig sein. / Bild: Shutterstock
Grosshöchstetten: In Zukunft werden sich viele Jungärzte seinem Fachgebiet zuwenden, ist Sven Streit, Arzt in Konolfingen und Professor für Hausarztmedizin an der Uni Bern, überzeugt.

Mit Jammern gewinne man im Gesundheitswesen keinen Blumentopf, man müsse mit begrenzten Ressourcen das Beste herausholen und nicht nur mehr Geld verlangen. Diese Bemerkung stellte Sven Streit an den Beginn seines Vortrags, der im Löwenkeller Grosshöchstetten vor den Mitgliedern der Spitex Region Konolfingen stattfand. Ganz im Sinn dieser Einleitung wusste Streit denn auch Positives über sein Fachgebiet Hausarztmedizin zu berichten. Das Durchschnittsalter der Hausärzte in der Schweiz sei mit 54 Jahren tiefer und die Konsultationsdauer sei mit durchschnittlich 19,6 Minuten höher als im Ausland. Ausserdem werde in der Schweiz weniger Antibiotika verabreicht und Umfragen ergäben sehr gute Werte bei Gesundheit und Betreuung.


Hausarztmedizin wird beliebter

Gemäss Streit gibt es zwar nach wie vor einen Mangel an Hausärzten, aber der «hausärztliche Nachwuchs kommt». Noch 2008 hätten bei einer Umfrage bloss zehn Prozent der Studierenden Hausarztmedizin als Berufswunsch angegeben. Nach Zahlen von 2017 hätten sich 20 Prozent definitiv entschieden und weitere 40 Prozent könnten sich eine Tätigkeit in diesem Gebiet vorstellen. Es besteht also Hoffnung, dass die heute bestehenden Lücken an Hausärztinnen in naher Zukunft behoben werden können. «Die Jungen sind interessiert an diesem Beruf», sagte Streit. Vermutlich würden aber viele dieser künftigen Ärztinnen und Ärzte ihre Dienste in Gemeinschaftspraxen anbieten. 

Bei einer von drei Herausforderungen, die Streit nannte, werde sich die Situation bis 2030 also verbessern. Die zweite Herausforderung sei, dass chronische Krankheiten zunähmen, zum Beispiel Rückenprobleme, die eine starke Beeinträchtigung der Lebensqualität darstellten. Ein Vorteil der Schweiz sei die hohe Spezialisierung der Ärzteschaft, die aber eine Kehrseite habe: Die Fragmentierung, wie er es nannte. «Fachärzte fürs linke und rechte untere Organ. Irgendwo müssen wir für den Menschen schauen», so Streit, «und dafür braucht es verschiedene Player.» Nötig seien also - dies als dritte Herausforderung - interprofessionelle Zusammenarbeit und damit verbunden auch interprofessionelle Kommunikation. Die Spitex habe in diesem Zusammenhang eine wichtige Funktion. Sie sei der «Brandmelder» und dank ihr könnten Spitaleinweisungen reduziert werden, erklärte Sven Streit. Auch Apotheken sollten im Behandlungsteam eine aktive Rolle spielen, durch Beratung und durch Begleitung von zum Beispiel Blutdruckpatienten per App oder Webportal.


Datenwüste EPD?

Wie stehen Hausärzte zum EPD, dem elektronischen Patientendossier? Bei diesem Thema kam beim Konolfinger Hausarzt eine gewisse Skepsis zum Ausdruck. Er erwähnte das Beispiel einer 63-jährigen Patientin, die ihm eine Krankengeschichte auf 169 PDF-Dokumenten mit 362 unsortierten Seiten und zum Teil unleserlichem Inhalt mitgebracht habe. Für das Aktenstudium habe er 40 Minuten aufwenden müssen und noch mehr Zeit für die Koordination mit drei Spezialisten. Hausärzte seien nicht gegen die Digitalisierung, sie wollten aber die Daten nur einmal eingeben. «Es muss gewährleistet sein, dass nicht an jeder Schnittstelle alles noch einmal erfasst wird.» Nach dem Referat wurde Streit gefragt, wieso Arztrechnungen so kompliziert seien. Er verstehe auch nicht alles, müsse sie aber so abschicken, meinte er.

28.05.2025 :: Rudolf Burger (bur)