Nach der Reformation wurde der katholische Altar in der Kirche Affoltern durch diesen Taufstein ersetzt. / Bild: Michael Sommer
Affoltern: Beim Auftakt der Vortragsreihe «seit 500 Jahren reformiert» ging es vor allem, aber nicht nur, um den Zürcher Reformator Ulrich Zwingli. Und die bedächtigen Berner.
Entscheidend für die Reformation war das Jahr 1525, aber begonnen habe sie eigentlich schon 1519, sagte Peter Opitz, emeritierter Professor für Kirchengeschichte an der Universität Zürich, am vergangenen Freitag in der Kirche Affoltern. Damals habe Ulrich Zwingli im Grossmünster in seinen Predigten nur die Bibel ausgelegt. «Es war eine revolutionäre
Bewegung, die Leute preschten vor», erklärte Opitz in seinem Vortrag, und führte als Beweis dafür das «Froschauer Wurstessen» 1522 an: Das war gemäss dem Referenten «eine Provokation für die katholische Kirche». Leute sassen in Zürich während der Fastenzeit zum Fleischessen zusammen, weil vom Fasten nichts in der Bibel stand. Schliesslich wurden in Zürich im Grossmünster eines Nachts Bilder zerstört. In der darauffolgenden sogenannten «Züricher Disputation» legte Zwingli vor Publikum seine 67 Thesen zum «wahren Christentum» vor. Der Grosse Rat befand, dass Zwingli recht habe. So wurde die Reformation 1525 in Zürich etabliert. Bibelübersetzer machten sich ans Werk, und 1531 konnte die Froschauer Bibel veröffentlicht werden. In weiteren Schritten wurden das reformierte Abendmahl eingeführt, die Pfarrer für Ehefragen zuständig erklärt und in der Armenordnung besser für Bettler, Arme und Kranke gesorgt.
Zwinglis Ritt nach Bern
Die Berner waren, darauf spielte Opitz mehrmals an, auch in Sachen Reformation bedächtig unterwegs. Im Volk wurden religiöse Neuerungen zwar heftig diskutiert, aber die Berner Grossräte akzeptierten sie nur langsam. Zur Berner Disputation im Jahr 1528 wurden dann aber alle Bischöfe der Umgebung und Gelehrte aus ganz Europa eingeladen. «Zwingli war die wichtigste Person», sagte Opitz, «von 200 Soldaten geschützt, ritt er nach Bern. Ohne Zürcher wären die Berner nicht weit gekommen, Zürich war intellektuell führend.» Von den 10 Thesen der Disputation machte laut Opitz immerhin die erste, wonach die christliche Kirche aus dem Wort Gottes geboren sei und nicht auf die Stimme eines Fremden höre, «über Deutschland hinaus Furore». Speziell erwähnte er auch die These 7, die Absage ans Fegfeuer. «Die Gschäftlimacherei mit Religion war damals grosse im Schwange», sagte er. Es sei üblich gewesen, mit Spenden an die Petruskirche in Rom zu versuchen, die Zeit der gestorbenen Angehörigen im Fegfeuer zu verkürzen.
Reformation staatlich verordnet
Und wie kam die Reformation ins Emmental? 1528 wurden die Klöster, zum Beispiel dasjenige in Trub, abgeschafft und ihr Besitz konfisziert. «Pfarrer mussten unterschreiben, nur noch Gott gehorsam zu leisten», sagte Opitz. Das tat auch ein Alexander Pur, Kilchherr zu Affoltern. Sicher seien damals nicht alle Leute im Dorf auf einmal ein Herz und eine Seele gewesen. «Es brauchte die bernische Obrigkeit, die sagte, jetzt machen wir das.» Die Reformation sei staatlich verordnet gewesen, die Gemeinschaft wichtiger als das Individuum. «Heute sehen wir, wohin zu viel Individualismus und zu wenig Gemeinsinn führen.»
Wichtig für die Bildungsbewegung
In der Folge der Reformation wurde gemäss Opitz der Gottesdienst aufs Wesentliche reduziert, die katholische Ansicht, wonach die Kirche Gottes Gnade dem Menschen vermittle und die Menschen gehorsam sein müssen, wurden aufgebrochen. «Entscheidend für die Reformierten war die Bibel», erklärte Opitz, «es war wichtig, aus dem Bibeltext Lehren zu ziehen. Weil die Bibel im Zentrum stand, mussten alle lesen können, was für die Bildungsbewegung wichtig wurde.» Und was das Bibellesen betreffe, könne man einiges dazu noch bei Gotthelf finden. In der Diskussion mit dem Referenten wurde dann auch angesprochen, dass heute im Kanton Bern an den Schulen kein Religionsunterricht mehr erteilt werde. «Ich glaube persönlich», sagte Opitz, «dass wir die Freiheit zum Glauben oder Nichtglauben haben müssen. Das Christentum ist dann am Lebendigsten, wenn es kein Zwangs-Christentum ist.»