Damit die Seele wieder gesundet

Langnau: Betroffene, Angehörige und Fachleute zu psychischer Gesundheit vernetzen sich. An einem Anlass wurde klar, dass sorgende Gemeinschaften immer wichtiger werden.

«Psychische Erkrankung - sprechen wir darüber», hiess vor zwei Jahren der Titel eines Berichts auf der Frontseite der «Wochen-Zeitung», der bis heute nachwirkt. Jeder zweite Mensch leidet im Laufe seines Lebens irgendwann an einer psychischen Krankheit. Früherkennung, Nachbarschaftshilfe und kompetente Beratung sind hier besonders wichtig. «Psychische Erkrankungen dürfen kein Tabu sein», erklärt Manuela Grossmann, reformierte Pfarrerin in Langnau. Deshalb organisiert sie so genannte Erste-Hilfe-Kurse für Leute, die Betroffene unterstützen. Dank der Medienberichte stiessen die gemeinsam mit Fachfrauen der Kantonalkirche erstmals durchgeführten Anlässe auf ein enormes Echo. Über 80 Personen meldeten sich. Während der Kurse wurde allen Beteiligten klar, wie wichtig die Sensibilisierung, Nothilfe für Betroffene und die Entlastung von Angehörigen ist. Doch manche Angebote sind kaum bekannt, und es bestehen wenig Vernetzungen von Fachstellen oder mit Menschen in ähnlicher Lage in der Familie oder am Arbeitsplatz. Folgerichtig trafen sich nun gut 30 Fachleute zu einem ersten Vernetzungsanlass.


Netz von Betroffenen und Fachleuten

Emmentaler Fachstellen aus Psychiahtrie und Krisenintervention, für Ehe und Partnerschaft, von Spitex, Angehörigenberatung, Ärzte, die Stiftung Berner Gesundheit, Selbsthilfegruppen, Sozialdienste, Jugendarbeit, Erziehungsberatung, freiberufliche Pflegefachfrauen und Gemeinderäte aus der Region kamen Ende Oktober im reformierten Kirchgemeindehaus in Langnau zusammen. «Es ist etwas in Bewegung gekommen», stellt Helena Durtschi fest, Mitorganisatorin von den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn: «An der Basis hat sich gezeigt, dass psychische Gesundheit ernster genommen werden muss.» Unterstützt von der Berner Fachhochschule wurden die aktuellen Herausforderungen diskutiert und nach Lösungsansätzen gesucht. Diese Zusammenarbeit soll nun ausgebaut werden. Das Projekt könnte nicht nur im oberen Emmental Impulse geben, sondern auch andere Regionen inspirieren.


Erwartungen übertroffen

Angehörige und Vertrauenspersonen von psychisch belasteten oder erkrankten Menschen benötigen Unterstützung und Entlastung. Das gegenseitige Kennenlernen der Organisationen und ihrer Angebote ist hilfreich. Denn oft warten Betroffene zu lange auf Hilfe oder werden allein gelassen, weiss die reformierte Pfarrerin Manuela Grossmann. Die Initiantin des Netzwerks weiss aus ihrer Arbeit in der Seelsorge, wie wichtig «Räume des Helfens» sind. Ihre Erwartungen ans erste Treffen wurden nun übertroffen, weil alle Beteiligten mit «viel Herzblut» mitmachten. Besonders beeindruckt ist sie von der noch ungewohnten Kooperation der Betroffenen und Angehörigen mit Fachstellen. Dies helfe mit, psychische Erkrankungen nicht nur negativ zu sehen, sondern auch als «Kunstwerke der Seele».

31.10.2024 :: Karl Johannes Rechsteiner (kjr)