Die Idylle kann trügen - Tiere sollten jetzt täglich auf Symptome geprüft werden. / Bild: Daniel Schweizer (sdl)
Tiere: Das Blauzungenvirus, das Schafe und Rinder befällt, breitet sich immer mehr aus. Die gute Nachricht: Nun kann auch gegen den neusten Serotyp (BTV-3) geimpft werden.
Es ist nicht nur der Wolf, der Schafhaltern schlaflose Nächte bereitet. Nein, eine kleine einheimische Mücke - die Gnitze - richtet derzeit Schaden an; bei Schafen wie auch bei Rindern. Das ein bis vier Millimeter grosse Insekt ist Schuld an der Verbreitung der Blauzungenkrankheit, einer nicht ansteckenden Viruserkrankung, die meist bei Schafen und Rindern auftritt. Eines der möglichen Symptome ist eine bläuliche Verfärbung im Maulbereich und an der Zunge. Der Verlauf kann zu Lahmheit und Fehlgeburten, aber auch zum Tod führen. Wenigstens ist gut zu wissen, dass der Erreger für Menschen nicht gefährlich ist und Fleisch wie auch Milchprodukte ohne Bedenken konsumiert werden können.
Die aktuelle Situation
War 2007 die Variante Serotyp 8 (BTV-8) in der Schweiz im Umlauf, breitet sich gemäss dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen neu der Serotyp 3 (BTV 3) seit 2023 in Europa aus. Er wurde Ende August erstmals in der Schweiz nachgewiesen und erfasst zunehmend weitere Regionen. Martin Brügger, Kantonstierarzt und Leiter des kantonalen Veterinärdienstes Luzern, bestätigt diese Situation. «Die Krankheit hat sich im Kanton Luzern von Norden nach Süden ausgebreitet, mittlerweile werden aus dem ganzen Kantonsgebiet Fälle gemeldet. Dementsprechend wurden auch Massnahmen getroffen - also ein Verbot ausgesprochen, Tiere auf andere Betriebe zu bringen. Aktuell sind im Kanton Luzern 42 Betriebe vom Serotyp 3 der Blauzungenkrankheit - mit den entsprechenden Anordnungen - betroffen.» Es kämen, so Brügger, laufend neue Fälle dazu. Gemäss Erfahrung aus früheren Jahren werde die Aktivität der Mücken wohl erst im Dezember zum Erliegen kommen, ausser es gebe vorher bereits einen ungewöhnlich starken Kälteeinbruch. Die Mücken würden bei den jetzigen Temperaturen weiterhin aktiv bleiben und das Virus weiterverbreiten. «Diese Beurteilung der Lage gilt», sagt Brügger, «sowohl für den Kanton Luzern allgemein als auch für das Entlebuch.» Das Amt für Veterinärwesen des Kantons Bern erklärt auf Anfrage, dass aktuell rund 120 Betriebe betroffen seien. Zwei Drittel davon Rindviehhaltungen, ein Drittel Schafhaltungen. Im Berner Jura, im Seeland und im Oberaargau seien das Fälle des Typs BTV-3, im Niedersimmental und in der Region Thun solche des Typs BTV-8. Aufgrund der kälteren Temperaturen habe sich zwar die Ausbreitung der Krankheit in den letzten Tagen verlangsamt. Es sei jedoch mit neuen Fällen und mit der Ausbreitung der Seuche in weitere Gebiete zu rechnen.
Es besteht eine Meldepflicht
Armin Christen, Präsident des Verbands Bernischer Schafzuchtorganisationen, bestätigt diese Einschätzung. Ihm seien auch neue Fälle im Emmental bekannt. Sein Appell an die Tierhalterinnen und -halter: «Beobachtet täglich eure Tiere!» Je früher eine Erkrankung erkannt werde, umso grösser seien die Heilungschancen. Verdachtsfälle unbedingt dem Tierarzt oder der Tierärztin melden. Ansonsten entfalle später eine mögliche Entschädigung aus der Tierseuchenkasse. «Aber noch sei diese Entschädigung nicht spruchreif», schränkt Christen ein. Und beide Kantonstierärzte halten fest: Im Verdachtsfall sei, bis zum Vorliegen der Resultate der Laboruntersuchung, der Tierverkehr für einen betroffenen Betrieb eingeschränkt und es müssten Massnahmen zur Mückenbekämpfung angewendet werden. Falls der Verdacht durch die Laboruntersuchung bestätigt wird, würden die ausgesprochenen Anordnungen weitergeführt.
Die möglichen Präventivmassnahmen
«Leider gibt es keinen vollständigen Schutz vor den Mücken, die BTV-3 übertragen», sagt Kantonstierarzt Brügger. Aber Mückennetze und physische Barrieren könnten Tiere teilweise schützen. Auch der Einsatz von Insektiziden und Repellentien, also Vergrämungsmittel, könne helfen. Weiter empfehle er, stehendes Wasser – ein idealer Brutplatz von Mücken - zu entfernen und Tiere am Abend einzustallen, da diese Mücken nachtaktiv sind. Gegen BTV-8 ist gemäss Brügger in der Schweiz ein Impfstoff seit Längerem zugelassen. Um auch gegen BTV-3 eine Impfung zu ermöglichen, wurde im eidgenössischen Parlament Vorstösse eingereicht, welche den Bundesrat aufforderten, seine Strategie der Seuchenbekämpfung und der Zulassung eines Impfstoffes zu erwirken. Mit Erfolg: Das BLV hat in Absprache mit der
Zulassungsbehörde Swissmedic eine sogenannte Allgemeinverfügung erlassen für einen BTV-3-Impfstoff, welcher in der EU bereits zugelassen ist.