Die Postkarten zeigen, wie Langnau einst ausgesehen hat

Die Postkarten zeigen, wie Langnau einst ausgesehen hat
Dass die Alleestrasse einst wirklich eine stattliche Reihe an Kastanienbäumen hatte, zeigt diese Postkarte. / Bild: zvg
Langnau: Mehr als 1000 Postkarten zum Thema Langnau hat Ueli Blaser in den letzten Jahrzehnten gesammelt. Nun erscheint diese einzigartige Kollektion als Buch.

«Sammler sind glückliche Menschen», soll Goethe gesagt haben. Was wird doch alles gesammelt: Antiquitäten, Bücher, Münzen, Briefmarken, Kaffeerahmdeckeli, Käfer, Mineralien, Kakteen, Panini-Bilder…

Ueli Blaser sammelt Ansichtskarten über Langnau aus den Jahren 1880 bis zirka 1960. Schwingt da beim Autor auch ein bisschen Wehmut mit, Wehmut über all das, was seither verschwunden ist? «Vielleicht,» erwidert Ueli Blaser. «Ich habe dem Buch den Titel Langnauer Ansichtssachen gegeben, das tönt einerseits neutral, andererseits ist es eben Ansichtssache, wie all die baulichen und sonstigen Veränderungen im Dorf zu werten sind.
Ist das schöne Dorf im Emmental schön geblieben? Diese Frage soll jeder selber beantworten.»


Heimatliebe

Ueli Blaser ist seit Kindsbeinen mit seinem Dorf verbunden: Kindheit, Schulzeit und Berufslehre hat er in Bärau erlebt, hat danach auf der Gemeindeverwaltung gearbeitet und das Zeughaus Langnau bis zu dessen Schliessung geleitet. Den letzten Teil seiner Berufskarriere hat Ueli Blaser im Ausland verbracht, als Militärbeobachter im Dienste der UNO. Diese Jahre haben seine Heimatliebe noch einmal gestärkt.

«Meine Sammlung ist wohl nicht vollständig», gesteht er. «Vielleicht taucht schon morgen ein bisher unbekanntes Exemplar auf. Ich musste mich entscheiden: Jetzt oder nie mache ich die Sammlung öffentlich zugänglich.» Er hoffe, dass er damit bei vielen Leuten freudige Erinnerungen wecken könne, und dass das Buch bei Familientreffen und Klassenzusammenkünften Gespräche auslöse, im Sinne von: «Weisch no?»


Befriedigung

Zwei Karten, geschrieben von seinen Grosseltern, bildeten den Ausgangspunkt der Sammlung, ein Sujet ums andere kam dazu, das Sammelfieber wuchs, Ueli Blaser wurde Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Ansichtskarten, wo getauscht wird, das Internet wurde regelmässig nach Raritäten durchforstet. Jetzt ist eine Kollektion beieinander, die über jede Ecke der Gemeinde inklusive Aussenbezirke bildlich Auskunft gibt. «Wenn ich einem Architekten, der eine Hausfassade im Ursprungszustand wieder herrichten möchte, dank einer Karte helfen kann, gibt mir das grosse Befriedigung», freut sich der Autor. In erster Linie interessiert den Kartensammler das Bild. Häufig aber geben der Text, der Absender, die Briefmarke, der Stempel wichtige Hinweise.

Einzelne Motive tauchen immer wieder auf: das Chüechlihus, die Gasthöfe, die Kirche, das Kurhaus, das Spital. Einzelne Karten erinnern an ein besonderes Ereignis: das Eisenbahnunglück von 1916, das Hochwasser vom Juni 1927. Natürlich ist auch der SCL vertreten mit den Erfolgsmannschaften von 1951 und 1957. Man sieht die Kastanienallee an der damals einfach Neuquartier genannten Alleestrasse, und man entdeckt ein Bild vom Oberfeld, einer weiten, noch unüberbauten Matte mit einer Reihe sensenschwingender Mähder.


Spannendes 

Aus den Begleittexten erfährt der Leser, die Leserin manches Detail aus der Dorfgeschichte, von Micheli Schüpbach, den Käsebaronen oder über die verschwundenen Textilfirmen, die Langnau geprägt haben. Wussten Sie, warum die Schlossstrasse so getauft wurde? Wie der «Hösu» zu seinem seltsamen Namen gekommen ist? Dass der alte Bahnhof in zwei Teile zerlegt und als Einfamilienhäuser an der Oberstrasse und am Schützenweg zu neuem Leben erweckt wurde?

Vielen Karten sieht man an: Zu fotografieren war vor 100 Jahren ein Ereignis. Rückte der Fotograf an, um das Haus abzulichten, posierte die ganze Familie – vor dem Haus, auf dem Balkon, am offenen Fenster. Bei Bauernhöfen gehörten die Lieblinge aus dem Stall selbstverständlich dazu.

Es wird den meisten Betrachtern gehen wie dem Autor: Sie werden ins Schwärmen geraten darüber, wie es einst war!

04.07.2024 :: Rudolf Trauffer (rtt)