Nicht der Ball, sondern eine optimale Junioren-Förderung soll in Zukunft im Zentrum stehen. / Bild: Micha Strohl (msz)
Unihockey: Der Nachwuchs soll besser gefördert werden. Deshalb planen die Verantwortlichen von 13 Emmentaler Vereinen sowie der Verband grundlegende Änderungen.
Swiss Unihockey hat heute 40 Verei-ne weniger als vor sechs Jahren, aber 2500 lizenzierte Mitglieder mehr. Der Tenor in der Szene ist klar: Man ist an einem Punkt angelangt, wo bei der Nachwuchsförderung über Organisationsgrenzen hinweg zusammengearbeitet werden muss. Von Verbandsseite heisst es: «Die Konkurrenz ist uns komplett enteilt, in Tschechien gibt es auf gewissen Stufen fünf bis sechs Profitrainer. Die Anforderungen des Leistungssports sind so hoch, dass man sie ehrenamtlich nicht mehr im gleichen Stil erfüllen kann.» Wie sollen die strukturellen Probleme gelöst und die Lücke zur internationalen Konkurrenz geschlossen werden? Mit dieser Frage beschäftigten sich die Präsidenten und Präsidentinnen der Emmentaler Unihockeyclubs – von 13 Männer- und Frauenvereinen. Sie trafen sich zu einem Workshop unter dem Titel «Vision Emmentaler Unihockey-Vereine». Von Swiss Unihockey waren auch Geschäftsführer Michael Zoss, und Lukas Steiger, Verantwortlicher Vereinsentwicklung, vor Ort. Zudem wurde Reto Balmer, Leiter Sportentwicklung beim Verband, zugeschaltet.
Erstmals alle Präsidenten vor Ort
Initiant und Organisator des Abends war Björn Siegenthaler, Co-Präsident der Unihockey Tigers. Die Entwicklung und Zukunft der Tigers und des ganzen Unihockeys im Emmental beschäftigt ihn sowie Andy Werren, den anderen Co-Präsidenten, schon länger. Die Sportchefs der Vereine würden sich zwar immer mal wieder austauschen. «Dass heute aber alle Präsidentinnen und Präsidenten hierhin kommen würden, hätte ich nicht erwartet. Das ist ein Novum.»
Durch den Abend führte Marcel Kaltenbrunner, der selber Unihockey auf höchster Stufe spielte und als Funktionär und Trainer amtete. Nun kümmert er sich als Gründer eines Unternehmens gemeinsam mit Akteuren aus Sport, Bildung und Wirtschaft um die nachhaltige Förderung von jugendlichen Talenten. Schnell zeigte sich, dass Kaltenbrunner nicht zum Schulterklopfen gekommen war. Man sei hier, um in die Zukunft zu blicken, stellte er klar.
Unihockey Tigers als Zentrumsverein
Vorgesehen ist folgendes: Die Unihockey Tigers sollen als Zentrumsverein die Trainerschulungen und die Verantwortung für die ganze Region übernehmen, also quasi für die regionale Auswahl zuständig sein. Für einen Spieler, der sich etwas später entwickelt, soll der Zug dadurch nicht zu früh abgefahren sein. Um jeden Spieler ideal fördern zu können, ist im Nachwuchs-Leistungssport ab Saison 2025?/?26 kein sportlicher Auf- und Absteiger mehr vorgesehen, eingeteilt wird rein nach strukturellen Kriterien. Aktuell stehen die Vereinsziele oft an erster Stelle, sportliche Ambitionen des Spielers werden hier und dort vernachlässigt. Einzelne Spieler werden wegen Abstiegssorgen zum Beispiel beim jüngeren Team eingesetzt, obwohl sie beim älteren Team mehr profitieren würden. Neu soll die optimale Förderung der Spieler im Vordergrund stehen, die Clubs sollen professioneller arbeiten. Zudem wird die Saison für alle bis im April dauern. Der springende Punkt: Jeder einzelne Spieler soll vereinsunabhängig die Chance haben, es zu den Unihockey Tigers zu schaffen und gleichzeitig stets auf leistungsgerechtem Niveau zu spielen. Der Zeitplan für die Umsetzung ist straff und es bleibt nicht bei diesem einen Treffen. Die Details werden bis im Herbst ausgearbeitet, die Unterlagen sollen Ende Jahr bereit sein und die Einführung ist auf die Saison 2025/26 vorgesehen. Auch kleine Vereine werden gemäss den Initianten profitieren, dies in Form von Ausbildungsentschädigungen.
«Die Zukunft gehört dem Kollektiv»
Der Verband sieht vor, dass die Schweiz in regionale Leistungszentren gegliedert wird. Die Spieler werden dann innerhalb der Regionen nach Ambitionen eingeteilt. Etwa die Spieler 1 bis 20 wären im Spitzenverein, die Spieler 21 bis 60 auf zweiter Ebene. Schweizweit hat das Vorgehen, wie es die Emmentaler planen, Pioniercharakter. Bisher hat einzig Zug United in Form eines Dachvereins derzeit zwölf Clubs integriert, und im Kanton Thurgau wird seit Jahren eine Zusammenarbeit mehrerer Vereine gelebt. Kaltenbrunner betonte, es brauche eine Portion Mut, um etwas zu verändern. «Der Weg von der Gegenwart in die Zukunft ist nie linear, systemisches Denken wird vorausgesetzt.» Die Zeit des Supermans sei vorbei, die Zukunft gehöre – auch im Unihockey – dem Kollektiv. «Denkt an die ganze Region. Und an die Spielerinnen und Spieler.» Die Vision wurde positiv aufgenommen, auch von den kleinen Vereinen. Das Projekt beschränkt sich im ersten Jahr auf die Männerteams, die gemäss Michael Zoss «heute noch etwas besser aufgestellt sind, weshalb wir hier starten». Bei den Frauen wird der Analyseteil dann im Herbst 2024 beginnen.