Verwaltungsrat der Energie AG: «Wir mussten schnell handeln»

Grosshöchstetten: Rund 130 Personen nahmen an der Infoveranstaltung der Energie Grosshöchstetten AG teil. Es gab viele Fragen und viel Kritik, vor allem in Bezug auf den Wärmeverbund.

Vorne sass der komplette Verwaltungsrat der Energie Grosshöchstetten AG (ENGH), doch zu Wort von den Dreien kam nur einer: Magnus Furrer, der Vorsitzende dieses Gremiums und, wie die andern, Gemeinderat. Nach der Begrüssung begann er mit einem Abriss über die Geschichte der ENGH: Ab 2016 habe sie ihre operative Tätigkeit als Aktiengesellschaft aufgenommen und arbeite mit der Energie Belp AG zusammen. Deren Geschäftsführer Ralph Bolzli erklärte das komplizierte Verfahren, mit dem Strom eingekauft wird. Danach konzentrierte sich das Hauptinteresse des Publikums auf die Frage, wieso Grosshöchstetten mit 45 Rappen pro Kilowattstunde momentan einen der weitherum höchsten Strompreise zu berappen habe. Die Antwort: Man habe für 2024 im Jahr 2022 «unglücklich» eingekauft, «als die Preise durch die Decke gingen». Nächstes Jahr würden die Preise sinken.


«Marodes Stromnetz»

Es blieb nicht beim Strompreis. Furrer führte aus, dass das Stromnetz «nicht in einem hervorragenden Zustand» sei. Nicht jede Photovoltaik-Anlage könne sofort ans Netz angeschlossen werden. «Es braucht Geld, um das Netz wieder auf Vordermann zu bringen.» Furrer bezifferte den Investitionsbedarf auf 50 Millionen für die nächsten 40 Jahre, also auf 1,2 Millionen pro Jahr. «Wäre es deshalb nicht besser gewesen, die ENGH zu verkaufen?», wurde aus dem Publikum gefragt. Ein Käufer würde «angesichts des maroden Stromnetzes» die Kosten abwälzen, ob das für die Konsumenten günstiger käme, sei unsicher, sagte Furrer.


Wärmeverbund unter Zeitdruck

Im zweiten Teil ging es um den Wärmeverbund. Furrer erklärte, 2021 habe es erste Kontakte mit dem Neuhus-park gegeben. Im November 2023 habe dann aber der damalige ENGH-Verwaltungsrat beschlossen, das Projekt nicht umzusetzen. Worauf der Gemeinderat den Verwaltungsrat absetzte und die Zügel selbst in die Hand nahm. «Wir mussten schnell handeln, vorwärts machen», sagte Magnus Furrer, «der Neuhuspark will die neue Heizung Ende 2024 in Betrieb nehmen». Ein erster Heizkessel sei bestellt, Verhandlungen mit dem Neu-huspark und neu der Überbauung Talacker seien am Laufen, die Verträge würden erarbeitet, die Aufträge für Leitungsplanung, Schnitzellieferung, Schnitzelsilo seien ausgelöst. Entlang der geplanten Leitungen zum Talacker und den Gemeindeliegenschaften könnten sich weitere Interessenten anschliessen. Laut Furrer betragen die Kosten für Heizung und Warmwasser für ein Einfamilienhaus jährlich etwa 2700 Franken. Die Investitionskosten bezifferte er mit 5,5 Millionen Franken. 2 Millionen würden mittels Darlehen der Gemeinde finanziert, der Rest mit Bankkrediten. Dazu kommt eine Kapitalerhöhung für die ENGH von 2 Millionen durch die Gemeinde zwecks Erneuerung des Stromnetzes.


«Ein Husarenstück»

Auf den Verwaltungsratspräsidenten prasselten in der Folge zahlreiche Fragen ein. «Wer zahlt die Leitungen?» «Wie verkraften wir diese Investi­tionen?» «Besteht nicht ein Interessenkonflikt, weil der Verwaltungsrat ausschliesslich durch Gemeinderäte gestellt wird?» «Wieso kommen die Kredite erst im letzten Drücker vors Volk?» «Was passiert, wenn der Stimmbürger ablehnt?» Ein Votant gratulierte ironisch dem Neuhuspark, dem es in einem Husarenstück gelungen sei, die Gemeinde für seine Zwecke zu engagieren. Eine Frau erhielt Applaus für ihr Votum, das Ganze sei eine Verarschung des Bürgers, man wolle sie «verseckeln». Furrer erklärte, der Zeitdruck lasse sich nicht verneinen, sei aber den Umständen ge­schuldet. Und dass der Neuhuspark Druck gemacht habe, sei nachvollziehbar, doch die Zusammenarbeit funktioniere. Und: «Wir werden die Stimmbürger überzeugen können.» Er erhielt am Schluss des langen Abends keinen tosenden, aber doch herzhaften Applaus.

16.05.2024 :: Rudolf Burger (bur)