Wo sich die Täufer heimlich versammelten

Wo sich die Täufer heimlich versammelten
Beim Täuferversteck wurde im Jahr 2007 eine Gedenktafel angebracht. / Bild: Kathrin Schneider (skw)
Oberdiessbach: Im Rahmen von «Schweiz bewegt» wanderten Interessierte auf den Spuren der Kirchengeschichte. Ziel war das Haus Schniggenen, ein historisch verbürgtes Täuferversteck.

Knapp 20 Personen versammelten sich beim Kirchgemeindehaus in Oberdiessbach. Hanspeter Schmutz, versierter Kenner der Kirchengeschichte und Koordinator der Oberdiessbacher Infowege, startete seine Ausführungen bei der Kirche. Vor dem Taufstein erinnerte Schmutz an die Täufer, die aufgrund ihrer Bibelauslegung die Kindertaufe ablehnten. «Die Taufe ist eine persönliche Aneignung des Glaubens. Diesen Weg kann erst ein Erwachsener bewusst einschlagen», erklärte er die Beweggründe der Täufer. Ausserdem verwei­gerten sie wegen der Friedenstheologie der Bergpredigt den Kriegsdienst und hinterfragten das Recht des Staates, seine Bürger in Glaubensfragen zu bevormunden.


Von heidnischen Kraftorten

An der mächtigen Sommerlinde vorbei spazierte die Gruppe weiter zum Helisbühl, einer vorchristlichen Opferstätte. Die keltischen Druiden hatten dort die Aufgabe, die Götter durch Opfergaben zufriedenzustellen. Bäume wie die Sommerlinde galten als heilig, die Präsenz des Göttlichen war in der Natur für Kelten und Alemannen spürbar.

Nach der Christianisierung durch die irischen Mönche von Einigen aus veränderte sich der Zugang zum Glauben. Und nach der Reformation konnte sich jeder selbst einen Zugang zur Bibel suchen. «Zum ersten Mal wurden Bibeln auf Deutsch übersetzt, viele Leute lernten lesen», erzählte Hanspeter Schmutz.


Verfolgt und vertrieben

Beim Schulhaus Brenzikofen schilderte Schmutz anschaulich, wie der Glaube wie das Wasser im Brunnen immer weiter floss. Die Täufer als radikale reformierte Bewegung wurden aber schnell als eine Gefahr für die Kirche und den Staat, die alles kon­trollieren wollten, angesehen. «Kirche und Staat wurden infrage gestellt, das durfte man nicht dulden.» Die Täufer wurden verfolgt, vertrieben, enteignet und manchmal auch hingerichtet. Die «Sekte der Täufer» wurde auch in Oberdiessbach und Umgebung aufs Schärfste verfolgt. Mit der Einführung von Ehe- und Taufrodeln konnten Familien, die gegen die staatlichen Regeln verstiessen, besser erkannt werden. Um 1590 wurden auf der Einwohnerliste von Oberdiessbach 16 Täufer – vermutlich ganze Haushalte – erwähnt.


Das Täuferversteck an der Rotache

Die Gruppe wanderte weiter der Rotache entlang bis ganz hinten zum Ort Schniggenen. Von diesem abgelegenen Versammlungsort aus floh 1658 der Täuferlehrer Hans Burkhalter, nachdem er wegen seines Glaubens zur Galeerenstrafe verurteilt wurde. Der Originalhof existiert längst nicht mehr, aber der Versammlungsort im Grenzgebiet von Brenzikofen ist historisch verbürgt. Heute lebt dort eine sozialtherapeutische Wohngemeinschaft, bei der sich regelmässig Nachkommen ausgewanderter Täufer melden. Viele Täufer litten sehr unter Heimweh. Einzelne Pfarrer in Oberdiessbach schützten die Rückkehrer vor einer erneuten Verhaftung. Mit dem Einzug des Täuferguts machten aber der Staat und die Kirchgemeinden ordentlich Geld. So konnten neue Kirchen gebaut werden, oder soziale und schulische Zwecke wurden unterstützt. Hanspeter Schmutz erzählte, wie im Täufer-Gedenkjahr 2007 in der heutigen Kirchgemeinde ein vergessen gegangenes Täuferkonto zum Vorschein kam. Der Inhalt des Kontos wurde umgehend der Mennoniten-Gemeinde zur Verfügung gestellt.


Für das Unrecht entschuldigt

In einem Versöhnungs-Gottesdienst im Täuferjahr entschuldigte sich die Kirchgemeinde bei den Täufern für das begangene Unrecht und befestigte am Haus eine Gedenktafel. John Gerber nahm als Prediger der Täufer die Entschuldigung an und wies seinerseits auf fragwürdige Haltungen der Vorfahren hin. Beim steilen Aufstieg durch den Wald beschäftigten sich viele Wanderer mit dem Gedanken, welche Überzeugung es braucht, um wegen dem Glauben Gefängnis, Folter, Vertreibung oder den Tod in Kauf zu nehmen. Schweigend wanderte man weiter in Richtung Wydibüel und zu guter Letzt zurück zum Kirchgemeindehaus. «Schweiz bewegt» regte nicht nur die Beine an, sondern bewegte auch die Gemüter.

16.05.2024 :: Kathrin Schneider (skw)