Mitarbeitende von Sanela helfen Passanten beim Eröffnen eines EPD – hier beim Spital in Langnau. / Bild: Daniel Schweizer (sdl)
Emmental: Nein, ein Renner ist das elektronische Patientendossier nicht. Die Online-Lösung der Post soll dem Projekt neuen Schub verleihen. Das Spital Emmental ist mit dabei.
«Technologische Steinzeit» oder auch «PDF-Wüste». Nicht gerade schmeichelhaft sind die immer wieder genannten Attribute des elektronischen Patientendossiers (EPD). So dümpelt es weiterhin still und ziemlich unbemerkt vor sich hin.
Die Idee tönt eigentlich vielversprechend. Das EPD ist eine Sammlung persönlicher Dokumente rund um die eigene Gesundheit. Das sind zum Beispiel der Austrittsbericht des Spitals, der Pflegebericht der Spitex, die Medikationsliste, Röntgenbefunde oder auch der Impfausweis. Im Notfall sind somit wichtige Informationen rasch verfügbar, auch wenn man selber nicht ansprechbar ist. Während das EPD für Patienten und Patientinnen kostenlos und freiwillig ist, sind
Leistungserbringer, also zum Beispiel Spitäler und ab 2022 zugelassene Arztpraxen, Kliniken oder auch Pflegeheime, verpflichtet, sich dem EPD anzuschliessen. Bis heute haben allerdings erst wenige zehntausend Personen in der Schweiz ein solches Dossier angelegt, und auch die Bereitschaft der Leistungserbringer hält sich in engen Grenzen.
Im Postauto online eröffnen
Der einfache Zugang ist ein Schlüsselfaktor für den Erfolg des EPD, wie die Post in einer Medienmitteilung schreibt. Der von ihr neu entwickelte digitale «EPD-Self-Onboarding-Service» für ihre eigene Plattform Sa-nela bringe für Anwenderinnen und Anwender einen konkreten Nutzen. Interessierte ersparten sich den Gang zu einer Eröffnungsstelle, könnten sich papierlos online mit der Swiss-ID identifizieren und ein EPD eröffnen. Der Service könne in neun Kanto-nen, darunter Bern, kostenlos genutzt werden. Und der gelbe Riese drückt aufs Pedal. In Zusammenarbeit mit dem Spital Emmental machte letzte Woche das EPD-Postauto der Post Sanela Health AG Halt vor den Spitälern in Langnau und in Burgdorf. Interessierte konnten sich vor Ort beraten lassen und gleich ein Dossier eröffnen.
«Wir wollen mit dieser Aktion die Emmentalerinnen und Emmentaler darin unterstützen, ein EPD zu erstellen und ihnen so die Angst vor der Digitalisierung nehmen», sagt Regula Feldmann, CEO des Spitals Emmental. Man arbeite seit 2020 mit dem EPD, doch die Zahl der Patienten mit einem digitalen Dossier sei an einer Hand abzuzählen. Auch für Feldmann müssen deshalb Verbesserungen her. «Das Anmeldeprozedere muss einfacher werden und das Dossier darf nicht einfach eine Ansammlung von PDF-Dateien sein; die Daten müssen strukturiert erfasst werden, sodass auch danach gesucht werden kann.» Wenn alle Beteiligten mitmachten, so Feldmann, werde die Behandlungssicherheit der Patientinnen erhöht und Doppeluntersuchungen könnten vermieden werden.
Mehraufwand abgelten
Ähnlich die Aussage von Simone Sikyr von der Praxis für Hausarzt- und Komplementärmedizin in Langnau. Auch sie wolle keine Ansammlung von PDF-Dateien, sondern ein Programm mit Schnittstellen zu ihrem Praxisinformationssystem. Das EPD dürfe nicht zusätzliche Arbeit generieren ohne Mehrwert. Mehraufwand müsse über den Tarif abgegolten werden. Bei ihr, so Sikyr, habe übrigens lediglich ein Patient ein EPD eröffnet. Er habe das jedoch nicht rein digital und nur mit viel Zeitaufwand abwickeln können. «Und dieser Patient», schiebt sie nach, «ist Informatiker.»
30 Millionen Franken mehr
Das Parlament öffnet für eine breite Einführung des EDP die Bundeskasse. Nach dem Nationalrat hat in der laufenden Frühjahrssession auch der Ständerat – trotz Kritik – der Vorlage des Bundesrates zugestimmt. Es geht um eine Übergangsfinanzierung der Anbieter von EPD-Lösungen. Mit maximal 30 Millionen Franken soll den teils klammen Anbietern unter die Arme gegriffen werden, damit die ganze Übung nicht vorzeitig abgebrochen werden muss.
Damit sind aber die aktuellen Defizite des EPD nicht auf Dauer gelöst. Deshalb will der Bundesrat mit einer umfassenden Revision des EPD-Gesetzes das Patientendossier voranbringen. Eine entsprechende Vorlage ging letzten Herbst in die Vernehmlassung. Zu den wichtigsten Eckpunkten der Revision gehören die nachhaltige Finanzierung und klare Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen sowie eine Pflicht für alle Leistungserbringer. Zudem soll für alle Personen mit Wohnsitz in der Schweiz, die obligatorisch krankenversichert sind, automatisch und kostenlos ein EPD eröffnet werden. Jede Person kann aber auch auf ein EPD verzichten. Sobald die Botschaft des Bundesrates vorliegt, ist der Ball wieder beim Parlament. Und inzwischen tourt das Postauto wohl noch weiter durch die Lande.
Der Selbsttest
Geschafft! Nach einer Dreiviertelstunde habe ich mein EPD – ich habe jetzt auch eine von Swiss-ID zertifizierte elektronische Signatur – online, ohne Schaltergang und ohne fremde Hilfe angelegt. Gut zu wissen ist, dass für den Identifikationsprozess von Swiss-ID die Identitätskarte beim Scannen mit dem Handy verkehrt auf den Tisch gelegt werden muss. Beim sechsten Versuch habe auch ich das gecheckt?...