Auch in der neusten Erhebung der Wildschäden im Kanton Bern ist das Gebiet Napf rot eingefärbt, was als «untolerierbar» gilt. Dort kann das gesteckte Verjüngungsziel nicht erreicht werden. Orange bedeutet «kritisch», grün «tragbare Schäden».
Kanton Bern: Die neuste Erhebung zeigt: Das Wild schadet dem Wald immer mehr. Das Emmental ist besonders stark betroffen. In einem Konzept sollen nun konkrete Massnahmen aufgezeigt werden.
Auf der Karte sind die Gebiete ersichtlich, in denen das Wild den Wäldern per Definition des Kantons «untolerierbare Schäden» zufügt. Diese werden über den ganzen Kanton grösser. Besonders schlimm präsentiert sich die Situation im Osten des Kantons, also auch im Emmental. Dieses Bild präsentierte sich letzte Woche, als das Amt für Wald und Naturgefahren sowie das Jagdinspektorat des Kantons Bern die Ergebnisse der letzten Erhebung präsentierte. «Neu wurde nicht nur ermittelt, ob bei den Hauptbaumarten genügend kleine Bäume wachsen, welche den Wald der Zukunft bilden sollen. Ein besonderes Augenmerk wurde auf klimaresistente Arten gelegt», erklärte Isabel Ballmer, wissenschaftliche Mitarbeiterin vom Amt für Wald an dem Mediengespräch.
Bund setzt den Kanton Bern unter Druck
Auf das Emmental bezogen werden der Weisstanne besser Chancen attestiert, mit den künftigen klimatischen Bedingungen zurechtzukommen als der flachwurzelnden Fichte. Das Problem ist aber: Die Weisstanne ist besonders betroffen. Sie wird häufig angeknabbert, während andere Baumarten eher durch sogenanntes Fegen in Mitleidenschaft gezogen werden. Entsprechend schaffen es kleine Weisstannen in den rot bezeichneten Gebieten kaum, unbeschadet in die Höhe zu wachsen. Die Schäden sind so gross, dass das Bundesamt für Umwelt den Kanton Bern beauftragt hat, in fünf Wildräumen ein sogenanntes Waldwildkonzept mit konkreten Massnahmen auszuarbeiten; so auch im Wildraum 5, wo insbesondere in den Gemeinden Trub, Langnau, Sumiswald und Schangnau viele Wälder rot markiert sind. Das Konzept werde seit 2019 akribisch erarbeitet und sei demnächst fertiggestellt, sagte Jagdinspektor Niklaus Blatter. «Auch die Umsetzung wird Zeit brauchen.» Der Jagdinspektor bezeichnete es als grossen Erfolg, dass sich alle Ansprechgruppen an einen Tisch gesetzt hätten.
Mehr Licht, mehr Schutz
Weil das Waldwildkonzept noch nicht fertig ist, präsentierten die beiden Ämter eher allgemeine Rezepte, um die Wildschäden einzudämmen. In die Pflicht nehmen sie auch die Waldbesitzer. Durch vermehrte Holzschläge solle mehr Licht in die Wälder dringen. Dadurch verbessere sich die Nahrungsgrundlage des Wildes und auch junge Bäume könnten besser wachsen. Die Bäumchen könnten auch mit kleinen Zäunen geschützt werden, wurde als weitere Massnahme genannt. Michel Brügger, Leiter der Waldabteilung Alpen, räumte allerdings ein, dass ein solcher Schutz nur gegen Reh und Gams wirkungsvoll sei – nicht aber beim grösseren Hirsch. «Das Wild hat den grössten Einfluss auf die Verjüngung des Waldes», hielt Brügger fest. «Daher müssen die Wildzahlen runter.» «Wenns um die Abschusszahlen geht, sind die Köpfe jeweils so rot wie die Wälder auf der Karte», meinte Jagdinspektor Blatter. Der Wald gehöre zum Wild – und umgekehrt. Die Jägerschaft erfülle die Jagdplanung «grossmehrheitlich», bilanzierte Maik Rehnus, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Jagdinspektorats. Beim Reh liegt der Wert bei 86 Prozent. Auf das Emmental bezogen seien nicht die Rehe das Hauptproblem, sondern Gämsen und Rothirsche. Weil der Bestand der Hirsche enorm zugenommen hat, wurden dort zu 80 Prozent weibliche Tiere erlegt, was den Bestand am effektivsten beeinflusst. «Der Bestand ist auf hohem Niveau relativ stabil», sagte Maik Rehnus. Weil das Rotwild grosse Wanderungen unternimmt, arbeite der Kanton Bern bei der Jagdplanung mit Luzern sowie Ob- und Nidwalden zusammen.
Anstand im Wald
Ein weiterer Faktor beeinflusse die Wildschäden: Der Mensch. Dies betonten die Vertreter der Jagd wie jene des Waldes. Durch die vermehrten Freizeitaktivitäten werde das Wild öfter aufgeschreckt, was dessen Energieverbrauch steigere. Grössere Wildruhezonen wurden hier als Massnahme genannt. «Und dann geht es einfach auch um Anstand», meinte Jagdinspektor Niklaus Blatter. «Wenn man auf den Wegen bleibt, stört man das Wild wenig.»