Marcel Rebiai weiss: Einander zuhören heisst einander verstehen. / Bild: Kathrin Schneider (skw)
Oberdiessbach: Die Kirchgemeinde organisierte einen Anlass über die Konflikte im Nahen Osten. Marcel Rebiai aus Jerusalem erzählte von Erlebnissen mit Juden, Muslimen und Christen.
Das Interesse war gross an diesem Januarabend in Oberdiessbach. Die Stühle reichten nicht für alle Zuhörerinnen und Zuhörer, die aus erster Hand Berichte aus der umstrittenen Stadt Jerusalem oder den Kriegsgebieten erhalten wollten. Pfarrer Daniel Meister aus Oberdiessbach erwähnte zu Beginn, dass die Kriege in der Ukraine oder in Israel vielen Menschen Sorgen bereiteten. Für Christen sei der Wunsch nach Versöhnung aber ein zentrales Anliegen. Und Marcel Rebiai, der in Jerusalem seit vielen Jahren Friedensarbeit leiste, könne viel zum aktuellen Thema Versöhnung beitragen.
Von Oberdiessbach nach Jerusalem
Marcel Rebiai lebt und arbeitet seit 36 Jahren im Nahen Osten. Als algerisches Flüchtlingskind kam er vor 60 Jahren nach Oberdiessbach. «Ich war 10-jährig und hatte noch nie eine Schule besucht», erinnert er sich. Seine Lehrer hätten es nicht einfach mit ihm gehabt, erzählte er und winkte seiner früheren Lehrerin Verena Kohler im Publikum zu. Aber schnell habe er sich integriert und sei sich schon nach ein bis zwei Jahren «vorgekommen wie ein Kind aus Gotthelfs Erzählungen.» Später zog es Marcel Rebiai dann in die Welt, und gemeinsam mit Ehefrau Regula und den vier Kindern schliesslich nach Jerusalem. Dort leitet er die «Gemeinschaft der Versöhnung», eine internationale christliche Gemeinde, die sich für die Förderung des Friedens und die Versöhnung verfeindeter Volksgruppen einsetzt. Marcel Rebiai betonte, dass er in Israel auch Freunde unter Juden und Muslimen gefunden habe. «Menschen müssen sich begegnen und einander zuhören. Dann werden sie sich verstehen.» Das sei ein Weg zur Versöhnung. Und Frieden könne nicht politisch verordnet werden, sondern zuerst müsse sich im Herzen jedes einzelnen Menschen etwas verändern. Alles draussen sei ein Ergebnis von dem, was drinnen im Menschen passiere. Oder: «Woher kommt die Wut, die den aktuellen Krieg auslöste?»
Ein Konflikt auf vielen Ebenen
Rebiai versuchte, die verschiedenen Ebenen des Konflikts zu beleuchten. «Wir haben hier religiöse, historische, wirtschaftliche und ethnische Interessen, die in Israel aufeinandertreffen.» Jerusalem sei nicht eine beliebige Stadt. Was dort passiere, bewege die Gemüter weltweit. Die Erwähnung Israels in der Bibel, das in römischen Zeiten zum ersten Mal erwähnte Palästina, die Besetzung durch die Moslems – dies alles habe Spuren und Ansprüche hinterlassen. «Jerusalem ist zentral für das islamische Denken und ihre Identität.» Deshalb könne man den Konflikt auch nicht so einfach lösen. «Und durch Abgabe von Land schon gar nicht.» Das Leid der Bevölkerung im Gazastreifen werde bewusst als Druck gegen den Westen in Kauf genommen. «Sonst könnten arabische Staaten ihre Grenzen weit öffnen und die Flüchtlinge aufnehmen», sagte Marcel Rebiai.