Anna Trauffer pfeift auf Konventionelles

Anna Trauffer pfeift auf Konventionelles
So sieht es aus, wenn Anna Trauffer auf der Glasharfe spielt. / Bild: zvg
Trubschachen: Höhen und Tiefen faszinieren Anna Trauffer. Als Kontrabassistin, Glasharfen­spielerin und Sängerin kreiert sie magische Welten – kürzlich zu hören im Sprützehüsli.

Nach einem Tag im Aufnahmestudio findet Anna Trauffer ein Zeitfenster zum Telefonieren. Melden tut sich ihr Kind, was der in Langnau sitzenden Anruferin «ein Schmunzeln ins Gesicht zaubert». Diesen Ausdruck wird Trauffer später im Gespräch selber verwenden, um ihre Wirkung auf ihr Publikum zu beschreiben. 

Die 1980 geborene Emmentalerin spricht ein klares, deutliches Berndeutsch, obwohl sie seit mehr als einem Jahrzehnt in Zürich lebt. Anna Trauffer wählt ihre Worte sorgfältig, und wenn sie ihre Musik beschreibt oder über ihre Leidenschaft für das Gärtnern, das Handarbeiten oder das Lesen spricht, ist das wohltuend wie ein gemütlicher Feierabend im Lehnstuhl.


Wohlbefinden

Anna Trauffer hat Kontrabass studiert. Am dritten Advent war sie jedoch mit einem anderen Instrument im Sprützehüsli Trubschachen zu hören – ohne anwesend zu sein. Die Künstlerin hatte im Vorfeld eine 30-minütige Glasharfen-Komposition aufgenommen, zu der ein an einem Grillmotor befestigtes Mobile ein magisches Licht- und Sternen-Spektakel aufführte. Mal heimatlich, mal nahezu sakral klang die Musik, gespielt auf zwanzig unterschiedlich mit Wasser gefüllten Weingläsern, die durch kreisende Bewegungen mit dem nassen Finger am Rand zum Klingen gebracht werden. Die Wirkung dieser «Sternstunde im Sprützehüsli» war magisch, schienen die Töne, die einem Akkordeon, einer Orgel oder einer Geige zugeordnet werden könnten, doch im Hirn etwas anzustossen, das den ganzen Körper mit Wohlbefinden durchströmt.


Kontraste

Experimentieren, Grenzen ausloten und gleichzeitig ganz nahe beim Gemüt bleiben, das sind die Hauptmerkmale von Trauffers Schaffen. Die Musikerin vertont Zeichnungen, literarische Texte, komponiert für das Theater, wo es nicht selten darum geht, Figuren und Szenen durch Musik noch mehr Tiefe zu verleihen. Anna Trauffer singt auch, kombiniert etwa die tiefen Töne ihres Kontrabasses mit ihrer «feinen, hohen Stimme». Ein Kontrast, der sie so sehr fasziniert, dass sie gewisse Melodien gar pfeift, um noch höher zu kommen. «Ich bewege mich gerne an der Grenze zu dem Ort, an dem man es fast nicht mehr aushält», erklärt die Musikerin. Sie lacht, als sie erzählt, Kinder hätten bei ihren Konzerten auch schon die Ohren zugehalten.


Humor

Anna Trauffer liebt Humor – das spürt man im Gespräch, aber auch an ihren Live-Performances. Literatur, die sie musikalisch begleitet, sucht sie sich oft gar nach diesem Kriterium aus. Heisst: Wenn sich der ebenfalls im Emmental geborene Autor Gerhard Meister, den sie oft begleitete, in seinem Text vorstellt, welche Vorteile es hätte, wenn man sein schlechtes Gewissen rausoperieren könnte, dann zieht sie das an. «Und dann kommt mein Humor in meinen Interpretationen zum Ausdruck, indem ich beispielsweise sehr schnell oder sehr hoch spiele», so Trauffer. Oder indem sie eben pfeife, «hoch und schneidend». Ob als Kontrabassistin, als Glasharfenspielerin oder als Musikerin mit engem Bezug zur Literatur: «Ich will die Menschen an Punkten berühren, auf die man nicht nur intellektuell, sondern vor allem emotional zugreifen kann», sagt Anna Trauffer. Dass sie das schafft, merkt sie eben daran, dass sie ihrem Publikum immer wieder «ein Schmunzeln ins Gesicht zaubert».

21.12.2023 :: zvg