Advent ist eine gefährliche Zeit. «Hä?», werden Sie jetzt denken. Wir empfinden die Zeit vor Weihnachten alles andere als gefährlich, eher hektisch. Aber eigentlich bedeutet Advent Sehnsucht. In alten Adventsliedern, die zur Zeit des 30-jährigen Krieges gedichtet wurden, klingt das noch an: Voller Sehnsucht erwartet man das Kommen eines Erlösers, damit endlich Frieden wird und Gerechtigkeit geschieht. Und Menschen, die solches erwarten, sind gefährlich für die Mächtigen, noch heute. Denn die Sehnsucht nach Frieden führt dazu, dass man nicht noch Kriege unterstützt. Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit bewirkt, dass man Unrecht kritisiert. Sehnsucht bringt vieles in Bewegung. Aber Sehnsucht macht auch verletzlich. Mein Schutzpanzer wird dünn, ich kann meine Gefühle nicht mehr so souverän verstecken. Sehnsucht macht ehrlich. Unsere Adventszeit ist voll von Süssigkeiten und Geschenken. Wir reduzieren Sehnsucht auf Wünsche, die wir uns erfüllen können, stillen sie mit Schokolade. Und das ist, wie jede Schmerztablette, lediglich Symptombekämpfung. Wir spüren sie zwar nicht mehr, aber die Sehnsucht bleibt da, irgendwo tief in uns. Wenn wir sie zulassen, merken wir, wie bedürftig wir sind und wie nackt und klein – wie ein schutzloses Kind in einer Krippe. Und wir möchten es instinktiv umarmen, dieses Kind, möchten ihm warm geben, es beschützen. Das ist ein heiliger Moment, wenn ich dieses Kind in meiner Seele entdecke und in die Arme nehme. Und es ist ein gefährlicher Moment. Ich bin nicht mehr der Gleiche wie vorher. Vielleicht ist es das, was uns anzieht an dem Bild vom Kind in der Krippe. Wir entdecken in ihm unsere eigene Bedürftigkeit, unseren Hunger nach Leben und Liebe. Dann wird es Weihnachten. Aber noch ist es Advent. Die Zeit, unsere Sehnsucht zu wagen.