Der Samichlous von Lauperswil. Immer mit dabei: der Schmutzli. / Bild: Erhard Hofer (hol)
Lauperswil: Seit 60 Jahren ist Hans-Peter Aeschbacher als Samichlous unterwegs. Nicht nur die Kinder haben sich in dieser Zeit stark verändert, sondern auch er selbst. Geblieben ist Aeschbachers grosse Freude an seiner Tätigkeit.
Wenn Kinder aufgeregt auf den bärtigen Besuch warten, sie ein letztes Mal ihr Värsli üben und einige sich mit mulmigem Gefühl hinter den Hosenbeinen der Eltern verstecken, ist wieder Samichlousetag. Das heisst auch: In Lauperswil und Umgebung ist Hans-Peter «Budi» Aeschbacher unterwegs. Er wird zu Hause einen Milchkaffee getrunken und ein Honigbrot gegessen haben, bevor er geschminkt, mit langem Bart, und mit rotem Kapuzenmantel eingekleidet, losziehen wird. Er wird Familien aus seinem goldenen Buch vorlesen und den Kindern Mandarinen, Lebkuchen, Erdnüssli und Schöggeli verteilen. Auch bei älteren Menschen, häufig Alleinstehende, wird er vorbeigehen, mit ihnen einen Schwatz an der Tür halten und ihnen ein Chlouseseckli und eine sorgfältig eingepackte, rote Adventskerze überreichen. Danach wird er wieder in die Nacht verschwinden. Dieses Jahr stehen an zwei Tagen über 50 Besuche auf seinem Plan. Als treue Begleiter immer mit dabei: Der Schmutzli, der den rot-weiss karierten Sack trägt und Aeschbacher bei Handgriffen hilft, die ihm wegen einer Beeinträchtigung der Hand zunehmend Mühe bereiten. Und seine Frau, die das Duo mit dem Auto von Ort zu Ort fährt sowie den Zeitplan und die Verteilung der Geschenke im Griff hat.
In den Fussstapfen der Mutter
Seit 60 Jahren hat Hans-Peter Aeschbacher kein Jahr als Samichlous ausgelassen – auch nicht in der Corona-Zeit. In all den Jahren ist die Rolle dem 73-Jährigen in Fleisch und Blut übergegangen. «Ig ga nid ga chlouse, ig bi dr Samichlous», sagt er bestimmt und lacht. So erstaunt es auch nicht, dass sogar seine Postadresse «Samichlous, 3438 Lauperswil» lautete, bis die Post nicht mehr mitmachte. Was zu Aeschbachers Berufung geworden ist, begann eigentlich mit einem Zufall: Um etwas Taschengeld zu verdienen, war Aeschbacher als 13-Jähriger erstmals als Chlous unterwegs – simpel verkleidet mit einer Pelerine. Er war einer unter vielen, die neben dem echten, rot gekleideten Samichlous in Lauperswil umherzogen. Als er auf seiner Tour dem Samichlous begegnete, fragte er ihn: «Wer bist du?» Der Samichlous antwortete ihm nicht. Am nächsten Tag wies ihn die Mutter zurecht: «Was fällt dir ein, den richtigen Samichlous zu fragen, wer er sei!» Für den Jugendlichen stand von da an fest, dass seine Mutter der Samichlous war, sonst hätte sie ja von dieser Begegnung nicht gewusst. Hans-Peter Aeschbacher führte schliesslich die Familientradition fort. Noch heute ist er im Kostüm unterwegs, das die Mutter 1938 für sich geschneidert hat.
Das Glitzern in den Augen
Hans-Peter Aeschbacher will als Samichlous vor allem eins: Freude bereiten. «Wenn ich das Glitzern in den Augen der Kinder oder der älteren Menschen sehe, macht mich das glücklich», sagt er, «und es ist wohl der Grund, warum ich schon so lange Samichlous bin.» Wer den gesprächigen, freundlichen Mann trifft, der ahnt, es ist noch mehr: Hans-Peter Aeschbacher liebt Kinder und er geniesst es, bei seinen Besuchen in ihre Welt einzutauchen. «Ich lerne immer noch sehr viel von ihnen», sagt er. Und es berühre ihn, wenn er etwas bewirken könne. Wie zum Beispiel bei einem Mädchen, das sich über mehrere Jahre bemühte, vom Fingernägelkauen loszukommen und ihm beim letzten Besuch sagte: «Samichlous, für dich habe ich aufgehört, du hast doch gesagt, es würde dir eine grosse Freude machen.»
Selbstbewusstere Kinder, gleicher Respekt
In den 60 Jahren, in denen er als Samichlous unterwegs sei, hätten sich die Kinder stark verändert, erzählt Aeschbacher. «Früher waren die Kinder oft verängstigt und es war klar, dass sie innerhalb der Familie nichts zu sagen haben.» Die Eltern hatten zudem klare Erwartungen an den Samichlous. «Ich sollte manchmal in zehn Minuten flicken, was den Eltern das ganze Jahr nicht gelang.» Heute trifft er selbstbewusstere Kinder an, die aufgeweckt aus ihrem Leben erzählen oder mit Instrumenten vorspielen, auch wenn sie diese manchmal noch kaum beherrschen. Respekt hätten die Kinder aber nach wie vor, fügt Aeschbacher an. Auch der Samichlous selbst hat sich über die Jahre verändert. «Früher war ich überzeugt, ich müsse eine erzieherische Funktion übernehmen und ein strenger Samichlous sein», sagt Aeschbacher. Weil er aber überzeugt ist, dass das Fehlverhalten von Kindern oft auch mit ihren Eltern zu tun hat, fing er an, dass bei der Anmeldung zwischen einer Lob-und-Tadel-Version und einer ausschliesslich lobenden Version gewählt werden konnte. Vor einigen Jahren entschied er sogar, dass er nun nur noch Positives erzählen will. «Schimpfen sollen die Eltern selbst», sagt er. Nicht alle hatten dafür Verständnis. «Manchmal musste ich mit den Eltern regelrecht diskutieren, damit ich mehr Positives über ihre Kinder sagen darf.»
Perfekte Organisation
Hans-Peter Aeschbacher hat in der langen Zeit nicht nur seine Rolle, sondern auch die Organisation perfektioniert. Mit der Vorbereitung beginnt er spätestens im September. Er nimmt Anmeldungen entgegen und sammelt in seinem Buch Informationen über die Kinder. Er plant die Route und macht Zeitpläne. Er packt Kerzen und Chlousesäckli ein. «Ich weiss nicht mehr, wie ich das gemacht habe, als ich noch gearbeitet habe», sagt der pensionierte Gärtner. Heute hat er nicht nur mehr Zeit als früher, er muss die Vorbereitungen auch nicht mehr im Versteckten tätigen. Als seine beiden Töchter noch klein waren, machte er alles im Geheimen. «Irgendwann wussten sie aber, dass ich an diesen Abenden nicht an Feuerwehrübungen war.» Hans-Peter Aeschbachers Leidenschaft für seine Tätigkeit ist auch nach 60 Jahren ungebrochen. Dennoch wird er ab nächstem Jahr sein Gebiet einschränken und nur noch auf der linken Seite der Emme in Lauperswil – ungefähr von der Ortstafel in der Kalchmatt bis ausgangs «Dörfli» Richtung Emmenmatt – Besuche machen. Das ermöglicht ihm, mehr zu Fuss und etwas gemütlicher unterwegs zu sein. Aeschbacher will weitermachen, solange er kann. Jahr für Jahr. «Der Samichlous kann nicht einfach aufhören, er kennt kein Pensionsalter.» Und so wird er nach dem 6. Dezember zwar den Samichlousemantel bis zum nächsten Jahr wieder ablegen, seine Rolle hingegen nicht. Denn Hans-Peter Aeschbacher ist der Samichlous. Zumindest in Lauperswil.