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Einmachen

«Warum kochst du immer noch so viel Konfitüre ein?», fragte die Tochter ihre Mutter. «Du brauchst ja für dich
alleine fast nichts mehr, und wir haben auch mehr als genug!» «Ich weiss», gab die Mutter zur Antwort. «Aber ich denke immer: Diese Konfitüre bleibt mindestens noch ein Jahr. Wer weiss, ob ich dann noch lebe? Ihr habt dann immer noch ein paar Gläser Himbeer-Konfitüre. Ich habe sie selber gepflückt und eingekocht, und auf der Etikette ist meine wacklige Schrift. Das wird euch an mich erinnern.» «Aber, Mutter! Du musst doch nicht immer nur ans Sterben denken. Gönn dir doch ein paar freie Stunden, in denen du das Leben noch geniessen kannst!» «Das tue ich auch. Aber weisst du, alles, was ich für mich alleine mache, das wird mit mir sterben. Aber das, was ich für euch tue, das wird weiterleben. Und das freut mich viel mehr als alles andere.» «Oh Mutti, du hast immer so viel für uns getan…» «Manchmal vielleicht etwas zu viel und manchmal auch über meine Kraft. Aber wenn ich sehe, was aus euch geworden ist, macht mich das zufrieden und dankbar. Und was sollte ich mehr wollen?» «Aber, Mutti…» «Und irgendwann wird es mich nicht mehr brauchen hier. Es wird ohne mich auch gehen. Bevor ich zur Welt kam, ist es ja auch ohne mich gegangen.» «Aber wir wollen dich doch noch ein wenig bei uns haben!» «Habt ihr ja auch noch. Ich weiss nur, dass es nicht mehr ewig so weitergeht. Früher hat meine Mutter Konfitüre gekocht, als sie nicht mehr konnte, habe ich es gemacht. Und irgendwann werde ich es auch nicht mehr können.» «Dann werde ich es machen.» «Und du wirst die Gläser von Hand anschreiben, damit die anderen deine Handschrift sehen.» Die Tochter musste lachen. Und sie packte ein paar Gläser von der Himbeer-­Konfitüre ein und stellte sie zu Hause in den Keller. Für alle Fälle.

12.10.2023 :: Samuel Burger