Stolz trohnt sie über dem Dorf: die Pfarrkirche von Schüpfheim. / Bild: Rudolf Trauffer (rtt)
Schüpfheim: Ein Buch von Guido Schumacher dokumentiert die bewegte Geschichte der
Kirchgemeinde, der Kirche und der Geistlichkeit seines Heimatdorfes.
Wussten Sie, dass in alter Zeit fast überall der Pfarrer persönlich für den Unterhalt des Dachs über dem heiligen Chorbezirk verantwortlich war? Dass sich für den Transport der Materialien zum Bau des mächtigen Stolen-Kreuzes oberhalb des Dorfes 168 Mann samt ihrem Pferd freiwillig zur Verfügung stellten?
Dass der Sigrist bis 1920 selber seinen Lohn von Haustür zu Haustür einziehen musste und dabei ermächtigt war, die Leute in Wohlhabende und weniger Bemittelte einzuteilen?
Oder dass beim Verkündigen eines Todesfalls durch das Endzeitläuten auch heute noch zwischen den Geschlechtern unterschieden wird, indem bei einer Frau mit der höchsten, bei einem Mann mit der tiefsten Glocke begonnen wird?
Dies alles – und noch viel mehr – erfährt, wer die Broschüre «Die Kilchhöri zu Schüpffen» des einheimischen Guido Schumacher-Zysset studiert. Er fasst darin die in vielen Arbeiten verstreuten Forschungsergebnisse über die Kirchgemeinde Schüpfheim und andere bewegende Ereignisse aus der Geschichte des Entlebuchs von der frühesten Besiedlung um 800 bis ins 20. Jahrhundert zusammen.
«Schärmearbeit» eines historischen Laien
«Ich bin kein Historiker, aber die Geschichte des Entlebuchs, insbesondere von Schüpfheim, hat mich seit meiner Schulzeit fasziniert», erzählt Schumacher. «Als Sekundarschüler bin ich klopfenden Herzens vor der Tür von Alt-Regierungsrat Emil Emmenegger gestanden, um ihn um Material zu bitten für eine Projektarbeit über den Dorfbrand von 1829. Nach intensiven Berufs- und Familienjahren fand ich nach meiner Pensionierung endlich Zeit, meine stets gewachsene historische Neugier zu befriedigen.» So habe er in den letzten zwei Jahren, sozusagen als «Winter- und Schärmearbeit», aus der historischen Literatur über das Entlebuch, aus Büchern, aus den Blättern für Heimatkunde und aus Originaldokumenten in den verschiedenen Archiven alle Angaben herausgesucht, die irgendwie mit Kirche, Geistlichkeit, Kaplanei oder Sigristwesen des Dorfes Schüpfheim zusammenhängen, und habe sie chronologisch geordnet. «Manch anderes, das nur am Rand mit dem Thema zu tun hat, ist natürlich mit eingeflossen: die Landsgemeinde, das alte Landrecht, der Dorfbrand und vieles weitere», erklärt Guido Schumacher.
Der Ursprung der neuen Kirche
Den Autor interessierte vor allem auch, warum die in vielen alten Dokumenten erwähnten «27 Höfe», mehrheitlich am Schüpferberg gelegen, bis 1601 zur Kirchgemeinde Entlebuch gehörten, einige Höfe von Ebnet dagegen zu Schüpfheim. «Die Höfe am Schüpferberg entstanden in der frühesten Besiedlungszeit, als es in Schüpfheim noch gar keine Kirche gab, und zwar am Verbindungsweg von Entlebuch nach dessen Mutterkirche, dem Kloster Trub.» Nach immer lauteren Klagen der Bewohner, dass ihre Kranken oft zu lange auf geistlichen Zuspruch warten und nicht selten sterben müssten ohne Empfang der heiligen Sakramente, wurden die Höfe endlich durch Schultheiss und Rat der Stadt Luzern der näher gelegenen Kirche von Schüpfheim zugeteilt. Das waren auf einen Schlag 200 zusätzliche Gläubige. Es wuchs das Bedürfnis nach einem zweiten Priester, einem Kaplan, vor allem aber der Wunsch nach einer grösseren Kirche. Doch auch dieses Gotteshaus wurde nach 200 Jahren wieder baufällig. So entstand in den Jahren 1804 bis 1814 der majestätische Bau, der noch heute bewundert wird, unter grossen finanziellen Opfern der Bevölkerung. Dabei nahm man sich die Kirche von Ruswil zum Vorbild. Eine Anekdote erzählt, dass die Ruswiler daran gezweifelt hätten, ob eine arme Gemeinde wie Schüpfheim sich einen solchen Bau leisten könne. «Mir boue e Chile so gross, dass me d Rusmeler Chile grad cha dri stöue», sollen die beleidigten Schüpfheimer geantwortet haben – und so ist ihre Kirche heute fast sechs Meter länger und auch deutlich breiter als diejenige von Ruswil.
Auf Kaffee-Träsch verzichten
Aus dem Buch von Guido Schumacher geht auch hervor, wie viel Schüpfheim einzelnen Pfarrherren zu verdanken hat. Johann Melchior Elmiger etwa diente seiner Gemeinde 50 Jahre lang (von 1839 bis 1889). Um dem üblen Alkoholmissbrauch beizukommen, soll er jeweils den an der Kommunion Teilnehmenden einen Schwur abverlangt haben, auf das «unnötige Trinken von Kaffee-Träsch zu verzichten». Obs wohl etwas genützt hat?
Auf dem «Herrenschnabel» auf Heiligkreuz liess Elmiger eine «Corrections- und Besserungsanstalt für gefallene Mädchen» einrichten, wo die Mütter unehelicher Kinder mit Strohhutflechten und Zigarrenrollen beschäftigt wurden. In Johann Melchior Elmigers Amtszeit wurde auch das Schindeldach der Kirche durch Ziegel ersetzt. 100´000 Ziegel wurden dafür von einem Escholzmatter Fuhrmann aus dem Bernbiet, von der Ziegelei Moser in Schüpbach, nach Schüpfheim geführt.
Dass das Buch von einem Laien geschrieben wurde, hat manchen Vorteil: Es ist auch für historisch Ungebildete verständlich, und etliche Begriffe, die auch dem Autor vor der Recherche unbekannt waren, werden erklärt. Das Werk schliesst eine Lücke in der historischen Literatur des Entlebuchs.