Geschichte des Entlebuchs inspirierte die Jugendlichen

Geschichte des Entlebuchs inspirierte die Jugendlichen
Anton Schwingruber zeigt den Jugendlichen eine Urkunde. / Bild: Bettina Haldemann-Bürgi (bhl)
Region Entlebuch: Der Historische Verein Entlebuch hat zu seinem 100. Geburtstag eine Themenwoche für die Oberstufe realisiert. Die Workshops vermittelten ein Stück Lokalgeschichte.

Mit etwas Verspätung trifft die achte Klasse aus Escholzmatt im Entlebucherhaus ein. Ein altes Postauto hat sie nach Schüpfheim chauffiert. Adrian Banz begrüsst die Jugendlichen. Der Exkursionsleiter der Unesco Biosphäre Entlebuch, der normalerweise in der Natur unterwegs ist, hat einen aufwändigen Workshop zum Thema Auswanderung erstellt. Filme, Interviews, transkribierte Briefe im Netz und ein Rundgang durch das Museum warten auf die Jugendlichen.

Die Schülerinnen und Schüler dürfen frei wählen, was sie machen wollen. Das Museum entpuppt sich als Renner. Zu zweit oder zu dritt inspizieren die Achtklässler die Räume und gehen der Frage nach «Wie war das Leben vor 200 Jahren?». Den Mädchen gefallen der Coiffeursalon und der Lebensmittelladen. «Wie im Film sind die Gegenstände ausgestellt», schwärmen sie, «man muss keine langen Texte lesen». Ein Junge aus Marbach erkennt auf einem Gemälde den Gasthof «Kreuz». Ein anderer Schüler meint mit Blick in die Schlafstube, dass die Matratze wohl nicht so bequem wäre und er hier drinnen Platzangst bekommen würde.


Gemeinsam mit der UBE

Die Klasse benimmt sich so gesittet, dass Zeit für eine Frage bleibt. Wie kommt es, dass die Unesco Biosphäre Entlebuch mit dem Historischen Verein zusammenarbeitet und geschichtliche Inhalte vermittelt? «Das ist tatsächlich neu», antwortet die Bildungsverantwortliche Nina Liechti, die an diesem Morgen auch anwesend ist und bei der Entwicklung des Workshops mitgeholfen hat. «Die Schulen des Entlebuchs besuchen regelmässig unsere Angebote. Deswegen sind historische Themen eine gute Ergänzung.»


Tausend Jahre in neun Minuten

Zurück vom Museumsrundgang packen die Jugendlichen ihr Znüni aus und beugen sich über ihr Handy. Viele lesen nun den Brief von Anton Unternährer, der aus Sörenberg nach Amerika ausgewandert war und die sechswöchige Reise über den Atlantik tagebuchartig für die Daheimgebliebenen beschrieb. Andere stecken sich die Kopfhörer ins Ohr und sehen sich zwei Filme über «New Glarus» an. Dann ist die Zeit um, das Postauto wartet und transportiert die Klasse zum Businesspark Aentlebuch (ehemaliges Ackermann Versandhaus), wo der zweite Workshop beginnt.  Letzte Station am Nachmittag ist der Besuch des Heimatarchivs in Escholzmatt. Von Wolhusen kommend, wo die Klasse etwas über die Situation heutiger Migranten erfahren hat, steigen die 14-Jährigen in Escholzmatt aus dem Zug. Anton Schwingruber, Präsident des Historischen Vereins, führt die Schar am Pfarrer-Stalder-Brunnen und am Schybi-Denkmal vorbei ins Heimatarchiv. Zuerst erklärt der Referent, wie es zur Gründung des Vereins gekommen ist: «Eine Gedenkfeier an den Sprachforscher Franz Josef Stalder stiess in der Bevölkerung damals auf so grosses Interesse, dass man anschliessend einen historischen Verein gründete.» Anschliessend zeigt der Präsident den Schülern alte Stiche, Landkarten und Urkunden, die sich im Besitz des Vereins befinden, und kündet eine Tonbildschau an. «Tausend Jahre in neun Minuten», beruhigt er. Die Auswanderung, mit der sich die Klasse beschäftigt hat, kommt in der Präsentation vor. Ein Quiz beendet die Besichtigung. Zum Abschied werden wie nach einer Schulreise die Hände geschüttelt. Die vielen frohen Gesichter sprechen eine deutliche Sprache: Der Thementag zur Geschichte des Entlebuchs hat die Teenager nicht erschlagen, sondern inspiriert und «bewegt».

«Lokalgeschichte kommt in der Schule zu kurz»

Spiritus rectus und Koordinator der Themenwoche ist Michel Charrière. Der Gymnasiallehrer für Geschichte und Dozent für Geschichtsdidaktik an der PH Luzern engagiert sich im Vorstand des Historischen Vereins Entlebuch. Das Zusammenspannen mit Schulen findet der Historiker besonders wertvoll. «Das Vermitteln von lokalhistorischen Kenntnissen kommt im Unterricht zu kurz», meint er, «hier können Geschichtsvereine helfen, die Wissenslücke zu füllen.» Die Durchführung der Themenwoche bezeichnet der Wissenschaftler deshalb als Meilenstein, und er freut sich, dass genügend Lehrpersonen gewonnen werden konnten, die mit ihren Klassen mitmachten.

05.10.2023 :: Bettina Haldemann-Bürgi (bhl)