Auf den Gemeindestrassen von Grosshöchstetten gilt Tempo 30, nicht aber auf den Kantonsstrassen. / Bild: Silvia Wullschläger (sws)
Kanton Bern: Zunehmend wollen Behörden auch auf Haupt- und Verbindungsstrassen Tempo 30 einführen. Das kommt bei den Leuten nicht immer gut an, wie Beispiele in der Region zeigen.
Tempo 30 in Quartieren ist auch in ländlichen Gemeinden keine Seltenheit mehr. So hat beispielsweise Grosshöchstetten das Tempo auf allen Gemeindestrassen reduziert, nachdem 2018 die Gemeindeversammlung Ja dazu sagte. Mit mehr Widerstand ist zu rechnen, wenn verkehrsorientierte Strassen (Hauptstrassen, Verbindungsstrassen) betroffen sind. So wehrten sich Bürgerinnen und Bürger mit einer Petition gegen Tempo 30 auf der Dorfstrasse in Lützelflüh. Der Gemeinderat blieb zwar bei seinem Entscheid, berücksichtigte aber einige Forderungen (die «Wochen-Zeitung» berichtete). Auch in Oberdiessbach ist das Thema aktuell. Dort soll auf der Kantonsstrasse sowie auf mehreren Gemeindestrassen Tempo 30 eingeführt werden. Die Mitwirkung beginnt Ende Oktober. Bereits hat sich ein Gegenkomitee gebildet.
Rechtsvortritt und Fussgängerstreifen
So viel vorweg: Tempo 30 kann sowohl auf Haupt- als auch auf Nebenstrassen eingeführt werden. Bei untergeordneten, nicht verkehrsorientierten Strassen, etwa in Siedlungen, sei das Verfahren einfacher, sagt Lukas Bähler, Fachstellenleiter Verkehrstechnik und -sicherheit beim Tiefbauamt des Kantons Bern. Für Tempo-30-Zonen brauche es zum einen kein Verkehrsgutachten, zum andern könnten beliebige Gründe angeführt werden. «Es reicht, wenn zum Beispiel die Strasse schmal oder unübersichtlich ist oder wenn ein Trottoir fehlt», erklärt Bähler. Ziel sei es meist, mit einer Temporeduktion den Verkehr zu beruhigen, den Lärm zu vermindern und die Sicherheit zu erhöhen. Die Gemeinde als Eigentümerin der Strasse beschliesse Tempo 30 und stelle einen entsprechenden Antrag. Der Kanton stimme diesem in der Regel zu, mache aber Auflagen, sagt Lukas Bähler. So müsse der Rechtsvortritt eingeführt werden – ausser die Verkehrssicherheit erfordere eine andere Regelung. Und Fussgängerstreifen seien nur bei Schulen und Heimen erlaubt. Fussgängerinnen und Fussgänger könnten die Strasse zwar überall queren, hätten aber keinen Vortritt. «Weil alle aufeinander Rücksicht nehmen müssen und vorsichtig agieren, funktioniert das Miteinander gut», findet Bähler.
Trend und Bevölkerungsumfrage
Auf verkehrsorientierten Strassen, sprich auf Kantons- und Durchgangsstrassen, sind die Vorgaben etwas strenger, wie der Fachstellenleiter beim Tiefbauamt ausführt. Hier brauche es nebst einem Verkehrsgutachten «mindestens einen qualifizierten Grund». Zum Beispiel wenn eine Gefahr nur schwer oder spät erkennbar ist oder wenn übermässiger Lärm vermindert werden kann. Rechtsvortritt ist dagegen nicht vorgeschrieben und Fussgängerstreifen können bleiben. Der Trend, auch auf Hauptstrassen vermehrt Tempo 30 einzuführen, sei feststellbar, erklärt Lukas Bähler. Allerdings meist begrenzt auf bestimmte Abschnitte im Ortskern. Immer mehr Gemeindebehörden verlangten dies.
Dass dieser Trend von der Bevölkerung kritisch gesehen wird, zeigen Umfragen. Tempo 30 auf siedlungsorientierten Strassen stösst zwar mehrheitlich auf Zustimmung. Eine generelle Einführung von 30 km/h in Dörfern und Städten, also auch auf Kantonsstrassen, lehnt die Mehrheit aber ab. Im Kanton Luzern wurde dazu eine Initiative eingereicht (siehe Artikel links).