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Da chunnt itz die Seniorewandergruppe

Ich stehe am Postomaten in Adelboden, als ich den Satz höre: «Da chunnt itz die Seniorewandergruppe.» Und sofort dreht es in meinem Kopf: Was will das sagen? Woher kennt der unsere Gruppe? Ist das jetzt negativ gemeint? So viele Senioren – oh nein? Oder ist es ein Wiedererkennen, weil wir gestern im Gottesdienst in Adelboden offiziell begrüsst wurden?

Macht ihr Hirn auch solche Kapriolen, wenn es getriggert wird? Was mein Kopf in Bruchteilen von Sekunden an Vermutungen produziert, ist schon fast bewundernswert. Ob die Vermutungen stimmen, kann ich nicht sagen; als ich mich umdrehe, ist der Sprecher schon um die Ecke verschwunden.

Wieso kommen in mir so schnell Vermutungen auf, dass jemand etwas gegen mich haben könnte? Weshalb höre ich so schnell etwas Negatives? Und warum fällt mein eigenes Hirn innert Sekundenbruchteilen Urteile über Menschen, die ich gar nicht kenne? Ein Tattoo am Arm: Der kann sicher kein Christ sein. Zerrissene Hosen: Kann die sich nicht ordentlich anziehen? Das Kind liegt trotzend am Boden: Das ist aber ein unfähiger Vater – wo ist bloss die Mutter? Alles Urteile, die ich fälle, ohne auch nur den Hauch einer Ahnung zu haben, was das wirklich für ein Mensch ist, in welcher Situation er sich befindet.

«Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet», sagt Jesus einmal. Das meint wohl auch solch alltägliche Begegnungen. Das meint auch meine Gedanken, die ja meine Worte und Taten und mein Verhalten beeinflussen. Normalerweise hält mich eine innere Stimme zurück und ich sage nicht, was ich denke. Dafür bin ich sehr dankbar. Denn es passiert viel zu schnell, dass Gedanken, einmal ausgesprochen, bei anderen viel Schaden anrichten. Ich habe das schon erlebt – und Sie vermutlich auch. Falls die Person von Adelboden, die diesen Satz gesagt hatte, diese Zeilen lesen sollte: Danke, dass Sie mich zum Nachdenken gebracht haben.

21.09.2023 :: Claudia Haslebacher